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Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Ich wollte eigentlich nur fotografieren. Das Porträt einer Freundin. Schwierige Freundin, die immer sehr angestrengt aussieht, wenn eine Kamera auf sie zeigt. Ins Stadion sollte ich mitkommen. Im Stadion sei sie ganz sie selbst. Da wusste ich noch gar nichts, und Union spielte in der zweiten Bundesliga, mit Steffen Baumgart als Kapitän.
Spätestens nach dem dritten Stadionbesuch -ich hatte inzwischen nicht nur meine Freundin, sondern auch ihre Eltern, ihren Bruder, ihre Cousine und alle gemeinsamen Freunde, die mit uns im Block standen, fotografiert- war klar, dass ich wiederkomme.
Mit oder ohne Kamera.
Mit oder ohne Vorwand.
Seitdem bin ich zweimal ab- und einmal aufgestiegen, habe 8 Trainer verschlissen, ein Praktikum in einer Agentur für Sportfotografie gemacht, für Union geblutet und kaum ein Heimspiel verpasst.

Ich verstehe bis heute nicht, was mir da passiert ist.

Ich fühle mich unwohl bei dem Gedanken, dass es auch ein anderer Verein hätte sein können. (Inzwischen unvorstellbar.) Mich irritiert, dass ich meinem Fußballverein schon länger treuer bin als jeder anderen Beziehung. Ich finde den Satz „Ich werde Vereinsmitglied, weil ich einen festen Punkt in meinem Leben brauche“ nicht mehr merkwürdig. Keine Verabredungen, wenn zuhause gespielt wird, ganz gleich, ob Punktspiel, Pokalspiel, Testspiel, Freundschaftsspiel, Abschiedsspiel oder Trainingsauftakt. Trotzdem ich es besser weiß, und selbst wenn sie berechtigt ist, reagiere ich ungehalten auf Kritik von Außenstehenden an der Alten Försterei, der Mannschaft des 1.FC Union Berlin und an der Tatsache, dass ich da hin gehe.

Ich denke manchmal, ich habe schlecht gewählt. Wobei ich mich eben nicht erinnern kann, überhaupt gewählt zu haben.

Eine von vielen möglichen Erklärungen dazu ist diese:

Menschen von verschiedenartigster Intelligenz haben äußerst ähnliche Triebe, Leidenschaften und Gefühle. In allem, was Gegenstand des Gefühls ist: Religion, Politik, Moral, Sympathien und Antipathien usw. überragen die ausgezeichnetsten Menschen nur selten das Niveau der gewöhnlichen einzelnen.“

(Gustave Le Bon: Psychologie der Massen » Die Masse vom Unbewussten beherrscht, 1895)