Blog State of the Union

Julian Ryerson geht

Tja. Lasst uns fluchen. Wütend sein. Enttäuscht sein. Ohnmächtig sein. Und am Ende Danke sagen. Aber dennoch: Scheiße mit der Scheiße noch mal! Julian Ryerson auf DIESE Art und Weise und ausgerechnet an DIESEN Verein zu verlieren tut echt weh. Und ich persönlich bin jetzt noch recht weit weg von irgendeiner Form von Akzeptanz und Frieden machen.

Bock auf Union. Foto: Matthias Koch

Seitdem gestern bei uns allen irgendwie die Nachrichten auf den Handys brummen, die Chats und Gruppen heiß laufen, dreht sich alles. Die Gedanken rasen. Und es fühlt sich so an als würdeste verlassen werden. Von jemandem, bei dem du irgendwie, gegen alle Logik, die Hoffnung hattest, dass er/es doch anders ist. Dass dieses unmoralische, hochkapitalistische Schweinesystem Profifußball genau bei IHM ne Pause macht. Macht es aber nicht.

Und darum spielt Julian Ryerson ab sofort beim BVB. Für einen Geschäftsführer, dem Pressefreiheit egal ist, vor einer Tribüne, die ihresgleichen sucht und die sich regelmäßig von Teams der Darmstadt-Preisklasse an die Wand singen lässt und die, wenn es schlecht läuft Roman Weidenfeller mit Gegenständen bewirft. Und ganz besonders schön: Zu einem Verein, der als Folklore zelebriert, dass die bösen Bayern zielgerichtet durch Transfers die eigene Mannschaft seit Jahren schwächen.

Und ja. Das ist meine Meinung. Und ja. Das ist nicht sachlich.

Und doppelt JA: Wir haben in der Vergangenheit und werden in der Zukunft genau so Spieler mit Kaufoption holen. Wir als Verein sind nicht besser. Wir sind da nicht anders. Wahrscheinlich wird auch genau das in ein paar Stunden/Tagen passieren. Siehe Sven Michel.

Diese Pflaster-Abreißen-Rhetorik hilft nicht. Es tut nicht kurz weh. Sondern gleichmäßig.

Jung war er. „Damals“. Sommer 2018. Foto: Matthias Koch

Puuh. Aber mit etwas Durchatmen. Was bleibt uns übrig? Es gibt keinen Spieler, dessen Union-Laufbahn mehr symbolisiert, wie wir uns als Verein entwickelt haben. Wir als Verein haben uns seit 2018, wie Julian Ryerson, in einem Maße weiterentwickelt, dass unglaublich ist. So wie sich Julian zu einem flexiblen Mentalitätsmonster entwickelt hat, sind wir in Europa angekommen. Und holen Spieler um Spieler, bei denen unsere „Vor-5-Jahren-Ichs“ denken würden, dass wir Drogen nehmen.

Wirklich zum Heulen. Wirklich an die menschliche Grenze bringt mich dann aber nicht die Wut. Oder ein Ungerechtigkeitsgefühl, dass es objektiv gar nicht geben kann. Das schaffen die vielen Momente. Die viele Situationen, wo Julian gelächelt hat. Wo er jemanden weggegrätscht hat. Wie er wütend schaut. Die Faust in unsere Richtung ballt. Uns aufpeitscht. Das wird am Ende auch bleiben. Wieso soll ich denn mit jemandem wütend sein, der in die Champions-League wechselt? Der sich finanziell verbessert? Der jeden einzelnen verdammten Millimeter für den 1.FC Union Berlin gerannt ist? Julian hat es sich verdient.

Und wenn es eine Situation gibt. Einen Moment, der alles zusammenfasst, was Julian Ryerson bedeutet, was er uns gegeben hat. Der uns heute zum Weinen und morgen wieder zum Lächeln bringt. Dann ist es der 25.11.2021. Abends. Es ist wundervoll warm. Das Sammy Ofer Stadium ist leer. Der Gästeblock voller Glück. Wir haben 1:0 gewonnen. Julian das Tor gemacht. Und dieser Typ sitzt einfach auf einer Kühlbox. Verletzt. Ausgepowert. Und er lächelt.

Mach es gut mein Lieber.

Natürlich gibt es Berichte über Berichte zum Wechsel:

Weitere Medienberichte zu Union

Irgendwie liest und fühlt es sich nicht annähernd so gut an, wie es sein könnte, dass die Grippewelle bei uns evtl. überstanden ist.

Timo hat ein paar erdende Worte:

Die Renovierung der Geschäftsstelle geht los:

21 Kommentare zu “Julian Ryerson geht

  1. Ditt ist mein Union: Kurz vor knapp gehen Schlüsselspieler stiften.

    ? Fußballclub Union Berlin in Weiß und Rot
    Wir steh’n zu Dir, auch in größter Not. ?
    ? Spieler kommen und sie geh’n,
    Doch meine Liebe zu Dir bleibt besteh’n. ?

    Ach verdammt Julian… War eine geile Zeit und nur das Beste für die Zukunft.

  2. Spieler kommen und gehen. So ist das im Fußball. Bin da ehrlicherweise ziemlich emotionslos. Was zählt ist der Verein und nicht der einzelne Spieler. Sportlich und menschlich trotzdem sehr schade. Das wir Spieler an Herne West abgeben, zeigt vielmehr die super Arbeit der sportlichen Abteilung.

  3. GrischasErbe

    Guter Artikel Oliver, der – berechtigte Unsachlichkeit mal ausgeklammert – für mich so ziemlich ins Schwarze trifft. Wenn ich mich alleine ans Bayern-Spiel erinnere…wie der jeden cm gefühlt umgegraben und Coman das Leben schwer gemacht hat….achhh scheisse, er wird fehlen!

    Absolut surreal auch manche Kommentare der gelb-schwarzen, die davon reden das ein direkter Konkurrent (um die CL-Plätze) damit geschwächt wurde…Also nettes Kompliment aus NRW, aber was zum Henker raucht ihr da drüben?

  4. Jan Grobi

    Wobei man bei Sven sagen muss, dass er schon vor drei Jahren zu Union wollte. Dieses Gefühl des Unbedingt-zu-Dortmund-wollen hatte ich bei Julian nicht.
    Im Gegenteil, ich hatte mich nach vielen Enttäuschungen wieder neu verliebt, hatte gedacht, er wird der neue Parensen oder Trimmel. Einer der als Fan für seinen Verein spielt. Umso heftiger ist die eigene Enttäuschung…

    • Das geht mir sehr ähnlich, bei mir überwiegt aktuell auch noch die Enttäuschung und das Unverständnis. Dass Julian nächstes Jahr noch bei uns spielt war eher unwahrscheinlich als wahrscheinlich. Aber jetzt, nach Dortmund, mitten in der Saison…bei gefühlt dem ersten irgendwie reizvollen Angebot? Das enttäuscht mich dann doch.
      Er wird da seine Einsätze kriegen und da glaube auch gut ankommen, dafür wünsche ich Ihm natürlich auch alles Gute. Und gedankt sei ihm auch, dafür wie er Union auf und neben dem Platz vertreten hat. Seine Entwicklung sucht seinesgleichen und ist evtl. ein Signal an andere junge Spieler. Das kann man mitnehmen – ansonsten herrscht wie o.g. erstmal Verwunderung und Enttäuscht.

    • Gorilla_im_Nebel

      100%. Warum geht er denn nicht einfach NACH der Saison? Verdammt.

  5. Bin überrascht. Dortmund? Echt bitter der Abschied. Für 5 Mio. bekommen wir keinen Ryerson-Ersatz. Ach Schade.

  6. Was soll das Gejammere, Spieler kommen und gehen.
    Vereinstreue? Ha ha ha.
    Geld verdienen ist die Aufgabe.

    • Naja, wie bei jedem Arbeitnehmer … Aber als Fan darf man ja trotzdem Jammern und Heulen, wenn ein Spieler geht, den man gut findet.

  7. Wuhleblut

    Im Union-Forum wird von 8-10 mio gesprochen, die Union laut BVB-„Insider“ rausgehauen hat.

    • Gorilla_im_Nebel

      Wie meinst Du das?

      PS. Zum Glück ist Trimmi aktuell topfit.

  8. Haltevici

    …den nächsten Schritt machen ????
    Pfui Spinne….!!!
    Wat ne Dämlichkeit!
    Man verliebt sich einfach nicht mehr in einen Spieler…!
    Die heulen und feiern als wenn es zum Programm gehört…
    Ist mir egal ob es für irgend jemand legitim ist…
    mitten in der Saison ???
    Zu Dortmund???
    Ick werde ihn niemals auspfeifen!!!
    Aber es ist zum kotzen!!!!

    • Stadiontourette

      Wenn dir ein neuer Arbeitgeber das 3-5 fache bietet, kündigst du auch. Ich denke, das würde jeder hier machen. Persönlich finde ich es auch schade, er hat zu Union gepasst wie Arsch auf Eimer. Aber so ist die scheiß Fußballwelt nun mal. Solange wir Alle Sky, DAZN und co bezahlen, wird sich das auch nicht ändern.

    • Senfbeilage

      @Stadiontourette…was soll eigentlich immer der Vergleich zu der Realität eines „normalen“ Arbeitnehmers? 1. kann das nicht pauschal beantwortet werden,weil die Wenigsten von uns in die Einkommenshöhe kommen werden und 2. den Fakt wegen dem 3-5 fachen zu wechseln (dazu noch im Winter; er hätte auch locker das 3-5 fache im Sommer bekommen) nicht zu kritisieren, würde bedeuten den Zustand hinzunehmen. Da bin ich einfach nicht bereit zu. Genauso wie er Anerkennung von uns verdient für das Geleistete, darf man ihn auch kritisieren, dass Boot voreilig wegen mehr Geld zu verlassen und damit gewisserweise Förderer im Stich zu lassen. Wäre es im Sommer passiert und Wochen vorher angekündigt, haben wir eine andere Situation.

  9. „Für einen Geschäftsführer, dem Pressefreiheit egal ist,“
    Wie ist das gemeint? Im verlinkten Text kann ich so eine Aussage nicht erkennen.

    Hier noch ein Text, der den Verlust von Julian vielleicht etwas leichter macht:
    https://www.berliner-kurier.de/union/im-vierten-bundesligajahr-ist-fast-jedes-spiel-des-1-fc-union-eine-reise-in-die-eigene-vergangenheit-li.304536

    Sind schon erstaunlich viele gute Spieler, denen man durch die starke Leistung der aktuellen Mannschaft nicht mehr wirklich hinterhertrauert. Selbst Grischa kommt mir schon sehr lange her vor.

  10. Danke Oliver, nicht ein Scheiße Wort zum Abgang war heut weniger als gestern in meinem Kopf….dankbar für die Zeit bei uns ja – zu 100%, aber megaaaa enttäuscht über so einen Abgang!
    Er hätte den Prömel machen können…weg wäre er dann zwar auch, aber so! Neee…will nie wieder ein Shirt mit Namen drauf! (mir tut Urs leid, dem tränt sicher auch das Herz)
    U. N. V. E. U.

  11. vielleicht wußte der Verein schon seit ein paar Wochen, dass uns Julian noch im Winter verlassen könnte. Vielleicht deswegen hat die Mannschaft so fleißig die Viererkette geübt. Also für den Fall, dass Julian noch im Winter gehen und wir keinen sofort einsatzbereiten 4. Schienenspieler finden würden?
    Wir haben jetzt 3 Schienenspieler, von denen 2 das „Urs-System“ kennen. Der 3 (und auch der 4., wenn er kommen sollte) muss/ müssen sich das noch verinnerlichen. Also wir werden, meine Vermutung, die ersten Spiele mit 5-3-2 beginnen und mit 4-4-2 beenden. Kurzum: was uns so überraschend vorkam, war es für den Verein vielleicht nicht so überraschend.

  12. @stadiontourette: also ich würde es nicht machen! Auch für einen Fußballprofi sollte es andere Werte als nur Knete geben. Sportlich sind die Entscheidungen aller Abgänge schon mal nicht nachvollziehbar. Aber vielleicht stellen wir uns in unseren Fanfantasien die Arbeitsbedingungen bei Union auch etwas zu ideal vor. Und: auch ein Fußballprofi kann nach seiner aktiven Zeit noch was für seinen Lebensunterhalt verdienen.

  13. Wenn fussballromantik auf Wirklichkeit trifft…
    Spieler sind halt auch Kleinunternehmen mit Beratern etc. Sehen allesamt wie sie materiell maximal mit dem arsch an die Wand kommen. Auf hohem Niveau möglichst entsprechend Ihrer Leistung. Was im aktuellen Fall zweifellos stimmt. Aber bitte nicht die vertränten Augen vor der Realität verschließen. Deren Regeln gelten für Union exakt so wie für 17 weitere Erstligisten. Ist einfach so.

    • Gorilla_im_Nebel

      Lass‘ doch endlich mal Deine lächerliche Klugscheisserei. Wenn Du so abgebrüht bist, schön für Dich.
      Man sollte sich an solche Wintertransfers auf keinen Fall gewöhnen oder sich einfach damit abfinden, sonst stumpft man noch mehr ab. Man sollte Wintertransfers lautstark kritisieren. Denn sie sind und bleiben Wettbewerbsverzerrungen der schlimmsten Art.

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