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Der Wert der Kritik.

Bernd Schröder, langjähriger Trainer von Turbine Potsdam, hielt am Montagabend einen Vortrag am Hasso-Plattner-Institut der Universität Potsdam. Die Vortragsreihe zum Thema „Soft Skills“ schließt in jedem Semester mit einem prominenten Gast.

„Woll´n Sie auch zu Schrödi?“, fragt mich ein älterer Herr, der wie ich suchend auf dem abendlich leeren Campus umher irrt. Ein Kamerateam rückt an. Wir sind also richtig. Der Hörsaal füllt sich. Überwiegend Studenten, aber auch einige Turbine-Fans. Welche, die ihn mit „Sportfreund Schröder“ und „mein lieber Bernd“ anreden. Noch ein Kamerateam baut auf. Bernd Schröder ist das offenbar gewöhnt. Freundlich und bestimmt, aber doch im Laufschritt, arbeitet er die Fragen ab, gibt Statements, stellt sich hierhin, blickt dorthin – und das alles vor dem eigentlichen Termin.

Nun ist Bernd Schröder nicht die Person, die einem als erstes in den Sinn kommt, wenn von Soft Skills die Rede ist. Meinungsverschiedenheiten mit dem Trainer gaben etwa Britta Carlson und Petra Wimbersky als Grund für ihren Vereinswechsel an. Fatmire Bajramaj, jüngst zur Konkurrenz nach Frankfurt abgewandert, mochte ihn auch schon mal lieber. Mit Bundestrainerin Silvia Neid verbindet ihn eine innige Zwietracht. Der Untertitel von Schröders Vortrag aber lautete: „Was macht erfolgreich?“ Dazu wiederum kann einer, der alles gewonnen hat, was es für einen Bundesligatrainer im Frauenfußball zu gewinnen gibt, einiges erzählen.

In der Essenz lautet seine Erfolgsstrategie: Vorbild sein, Vorbilder haben. Das sei die beste Motivation. Sein Vortrag handelt denn auch im weitesten Sinne von seiner sehr persönlichen Vorstellung darüber, was ein Vorbild auszeichnet – und was eben nicht. Das bezieht er keineswegs nur auf den Sport. Manchmal erzählt er dabei gleichzeitig seinen Lebenslauf, Fußballgeschichte und Weltgeschichte. Mindestens so oft wie Beispiele aus dem Fußball zitiert er Bergarbeitermetaphern. Er hat Montanwissenschaften an der Bergakademie Freiberg (Sachsen) studiert, eine Grobwissenschaft, wie er sagt. Was man daraus lernen und übertragen kann, sind zwei Dinge. Es gibt Situationen, in denen man nicht weg kann – die muss man auszuhalten lernen. Und zweitens, man trägt in einem Team Verantwortung füreinander. Platz für Stars ist dabei nicht. Dieses Weltbild prägt ihn und macht deutlich, warum einer wie er im Frauenfußball so sehr verhaftet ist. Es ist das Gegenteil der Glamourwelt des professionellen Männerfußballs, wo in Fantastillarden gerechnet wird. Bernd Schröder ist ein sehr erdverbundener Mensch.

Es fehlten Menschen, meint er, die widersprechen und Widerspruch annehmen können. Jemand, der den Wert der Kritik nicht anerkenne, ist in seinen Augen kein Vorbild. Das Wort Streitkultur fällt. Matthias Sammer sei noch einer, der das kenne. Bernd Schröder selbst sucht die Auseinandersetzung und trifft dabei in schönster Poltergeistmanier nicht immer den richtigen Ton.

Vielleicht liegt darin die Ursache seines Disputs mit Silvia Neid. Den Ehrenkodex habe er durch seine öffentliche Kritik verletzt, und nun soll er sich dafür entschuldigen. Weniger für die Kritik, als wohl vielmehr für ihre Öffentlichkeit. Die Ziele von Neid und Schröder liegen nicht so weit auseinander. Beide wollen erfolgreichen Frauenfußball, beide wollen eine starke Nationalmannschaft, beide wollten den WM-Titel. Bundesliga und Nationalmannschaft arbeiten idealerweise miteinander und nicht gegeneinander. Deshalb hat Schröder recht, wenn er sagt: „Wir müssen das Problem letztlich gemeinsam lösen“. Sich zu entschuldigen hält er trotzdem nicht für den richtigen Weg – denn seine Haltung zur Sachfrage besteht unverändert. Man kann sich nun darüber streiten, ob das Mangel an Diplomatie oder Charakterstärke ist. Es liegt jedenfalls keine Häme darin, wenn er erklärt, warum das WM-Spiel der Frauen gegen Japan verloren ging. Die verpasste Olympia-Teilnahme schmerzt ihn, und der durch die WM-Vorbereitung bedingte Ausfall seiner Spielerinnen im Vorfeld ärgert ihn noch immer. „Ich habe ja nicht gesagt, dass sie keine Ahnung von Fußball hat.“ Aber eine Anerkennung für seine Arbeit, Respekt ihm gegenüber hätte er sich gewünscht – das klingt in jedem Satz durch, den er sagt.

Fragt man ihn, was einen guten Trainer ausmacht, bekommt man zur Antwort: Das Team um ihn herum. Und damit meint er nicht an erster Stelle die Feldspielerinnen, sondern explizit die Sekretärin, den Busfahrer, die Betreuer, den Zeugwart. Schröder versteht seinen Beruf sehr umfassend. Genau so wichtig wie sportliche Förderung ist die Sorge um die Ausbildung der Frauen und Mädchen. Die Potsdamer Sportschule, Eliteschule des Mädchen-Fußballs, nimmt jedes Jahr zur 7.Klasse etwa 10 Nachwuchsfußballerinnen auf. In jedem Jahr stellen sich die selben Fragen. Wer kommt dafür in Betracht? Schaffen die ihr Abitur? „Wenn nicht“, sagt er, „müssen wir uns um Lehrstellen kümmern. Denn wir bilden aus und kaufen nicht ein.“ Das sei eine gesellschaftliche und eine pädagogische Aufgabe, für die man Menschenkenntnis brauche. Man müsse zudem Familie, Herkunft, Umfeld, soziale Situation und Erlebniswelt der Spielerinnen genau kennen.

Angesichts dessen, was er in den Frauenfußball investiert hat, überrascht die Nüchternheit, mit der er dessen Stellenwert beurteilt. Der WM-Hype entspricht nicht seiner Lebenswirklichkeit. Ob die WM mehr Zuschauer in die Stadien spült? Bernd Schröder glaubt nicht daran. Was ist mit den neuen Leistungszentren für die Frauen, die bei den Bundesligavereinen der Männer angesiedelt sind? Das müsse man von Fall zu Fall sehen. Der HSV, sagt Schröder, habe die finanziellen Probleme der Herrenmannschaft 1:1 an die Frauen weitergegeben. Leverkusen sei ein guter Verein, komme aber nicht richtig hoch. Bayern München spielt in Aschheim – da interessiere sich kein Schwein dafür. Die einzigen, die derzeit investierten, seien die Wolfsburger. Die anderen Männervereine betreiben Frauenfußball halbherzig, das Interesse daran sei zu gering. Er stellt das fest, ohne es als Vorwurf zu formulieren.

Bernd Schröder gilt als harter Hund. Deshalb lohnt sich die Frage nach dem berüchtigten Straftraining. „Das gibt es nicht mehr, das gibt es auch bei den Männern nicht. Wenn man im Sport eine Aufgabe nicht mit dem Herzen wahrnimmt, dann funktioniert es nicht. Ich kann die drei Runden laufen lassen oder zehn. Wenn sie das oberflächlich machen, kommt nichts dabei heraus. Das macht man höchstens, um sich selbst zu beruhigen. Wenn meine Mannschaft schwach spielt, bin ich der Schwache, und nicht die Mannschaft.“ Wie man statt dessen motiviert? Ganz einfach. Man hängt die Leistungswerte der einzelnen Spielerinnen aus.

Für alle, die mal ganz normalen Frauenfußball kucken wollen: Der Spielplan.

5 Kommentare zu “Der Wert der Kritik.

  1. Danke für die Darstellung seiner Ausführungen.

    Ich habe den Streit zwischen Zwanziger und Schröder allenfalls am Rande verfolgt, kann deshalb dazu nichts Fundiertes beitragen.

    Aschheim ist ein gutes Stichwort. Ich habe den Umuzg der FCB-Frauen vom Dantestadion in die Gemeinde östlich hinter München nie nachvollziehen können. Er hat mich bis jetzt auch davon abghelaten, eine Spiel live anzuschauen.

  2. @stadtneurotiker hach! Du hier, um die Zeit? dis´ja schöner Besuch!

    Wenn ich alles richtig verstanden habe, war Zwanziger eher der Übermittler der Botschaft, dass man an Bundestrainerinnen nicht öffentlich rumnörgelt.

    Weil Potsdam praktisch vor der Tür liegt, habe ich mir vorgenommen, in dieser Saison endlich mal ein paar Spiele anzusehen. Der Mann hat das ja in der letzten schon geschafft.

  3. Ich komme gerne wieder. ;-)

    Wäre Aschheim einigermaßen vernünftig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, wäre mein Problem geringer. Aber bei Spielzeiten sonntags um 11 Uhr muss ich wohl einen längeren Fußmarsch vom nächstgelegenen S-Bahnhof einplanen.

  4. „Sportfreund Schröder“, die Anrede trifft es irgendwie sehr gut. Mit jedem Text (und dieser hier ist ein besonders schöner), den ich über Bernd Schröder lese, habe ich das Gefühl, dass ich ihn weniger zu fassen kriege. Mal erscheint er wirr und widersprüchlich, mal ziemlich platt. Trotzdem zielstrebig, teamorientiert und vor allem auch im positiven Sinne streit- und streitlösungsortientiert. Streiten der Sache wegen, die ihm am Herzen liegt. Das kommt in den Zeilen oben schön heraus. Schröder scheint wie ein fachlich gut ausgebildeter alter DDR-Trainer, der die demokratische Streitkultur verinnerlicht hat. Oder so. Bis zum nächsten Text von ihm oder über ihn jedenfalls.

    Ich habe ja mit den Frauen von Lok Leipzig die Bundesliga auch vor der Haustür. Mal gucken, ob ich es mal quer durch die Stadt schaffe zu einem Heimspiel.

  5. @rotebrauseblogger das „Schröder scheint wie ein fachlich gut ausgebildeter alter DDR-Trainer, der die demokratische Streitkultur verinnerlicht hat.“ trifft es meiner Meinung nach ganz exakt! Er wurde mit Hans Meyer und Ede Geyer zusammen an der DHfK Leipzig ausgebildet, wenn ich mich nicht irre. Die sind sich auch in vielerlei Hinsicht ähnlich. Meyer ist von den dreien derjenige, der sich verbal am vorteilhaftesten zu inszenieren weiß, Geyer der, der es am ungeschicktesten macht, Schröder was dazwischen. Aber in vielen sportlichen Auffassungen stimmen sie überein.

    Das schwierige an Bernd Schröder ist, dass er nicht druckreif spricht und manchmal eine Weile braucht, bis er auf den Punkt kommt. Das hat alles seinen Sinn und seine Berechtigung, wenn man ihn mal ausreden lässt. Aber im Format „Seitenlinieninterview“ ist das nicht darstellbar. So gesehen ist Schröder zB im Fernsehen „schwer verkäuflich“, der passt nicht gut in die PR-Maschine.

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