Blog State of the Union

Was sollte denn ein Kapitänswechsel jetzt bringen?

Ganz so eine Baustelle wie unsere Wohnung dank Heizungsumbau im Moment, ist der Kader von Union nicht. Aber gerade die linke Verteidigerseite beschäftigt weiterhin. So fragen sich Berliner Zeitung/Kurier, ob vielleicht Peter Kurzweg den Verein verlassen könnte. Natürlich hören wir auch hier wieder das Mantra vom „sich durchbeißen wollen“. Doch wir alle wissen, dass sich gerade in der Zweiten Liga die Kader erst Ende August nach den ersten Spielen zurecht ruckeln. Eine Rückkehr zu1860 stehe aber für ihn nicht zur Debatte.

Zu jedem Trainingslager gehört die Kapitänsfrage, die dieses Mal als erstes die Bild thematisiert und Christopher Trimmel ins Spiel bringt. Allerdings finde ich die Argumentation gegen Felix Kroos wenig schlüssig. Ihm vorzuwerfen, zu wenig Tore und Assists geliefert zu haben und gleichzeitig zu verschweigen, dass er in der vergangenen Saison auf der Sechserposition und nicht vorne im zentralen Mittelfeld gespielt hat, ist dann schon ein bisschen unredlich. Ebenso wie jetzt zu schreiben, dass Manuel Schmiedebach ihm Konkurrenz machen würde. Dabei gibt der Zugang aus Hannover Kroos ja die Möglichkeit, in der Grundordnung wieder eine Position nach vorne zu rücken. Kritisiert wird Felix Kroos ja vor allem (aber nicht im Bild-Artikel), weil er angeblich zu ruhig sei und wegen seiner Körpersprache. Ich bin da voreingenommen, weil ich Körpersprache für eine schwache Erklärung für Fußballspiele halte und das lieber Mario Basler und den anderen Stammtischrunden überlasse. Felix Kroos vorzuwerfen, er würde es nicht wollen, halte ich schlicht für sehr weit hergeholt.

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Das Ganze soll nicht Trimmels vergangene Saison schmälern. Aber ganz ehrlich. Die Frage ist doch die: Was gewinnt denn Trainer Urs Fischer durch einen Kapitänswechsel? Und die Antwort darauf ist bei mir schlicht ein Achselzucken. Union hat aktuell eine Achse verloren und es ist sicher kein Gewinn, jetzt den einzigen Feldspieler aus dieser Achse noch zu degradieren. Spieler wie Michael Parensen oder Sebastian Polter brauchen keine Kapitänsbinde, um ihre Autorität einzubringen. Und ob Trimmel nun Kapitän oder weiter Vizekapitän ist, wird an seinem Lebensglück auch nichts ändern. Um es kurz zu machen: Das ist aus meiner Sicht tatsächlich eine Phantomdiskussion.

Ich würde lieber wissen, wie Union gedenkt, in Abschlusspositionen zu kommen: Umschaltspiel über Gegenpressing, schnelle Dribblings oder Spielverlagerungen? Und das gleichzeitig bitte bei einer viel stabileren Defensive. Das ist doch nach der vergangenen Saison mit einmal Keller- und dann Hofschneider-Fußball die ganz große Frage.

Und sonst so?

Im Kicker fordert der DFB-Präsident Reinhard Grindel, Özil solle sich erklären. Es ist schon erstaunlich, wie das 2 Monate nach dem Özil-Gündogan-Erdogan-Fotos kommt. Ein aus meiner Sicht sehr treffender Kommentar dazu kommt von meinem früheren Morgenpost-Kollegen Jörn Meyn, der mit der Nationalmannschaft in Russland war. Er schreibt in der WAZ, dass diese unselige Debatte, die der DFB erst abgewürgt hat und jetzt zur offensichtlichen Ablenkung von eigenen Fehlern führt, nur Verlierer produzieren würde. Was da gerade passiert, ist aus meiner Sicht so ähnlich, wie wenn sich alle Ostdeutschen bei der Bundestagswahl für das Abschneiden der AfD rechtfertigen müssen.

Wir leben in einer Demokratie, in der wir aushalten müssen, wenn andere eine Meinung haben, die stark von unserer abweicht. Selbst wenn sie unsere Grundordnung in Frage stellt. Diese Freiheit gilt für alle. Mesut Özil ist Deutscher und die deutsche Staatsbürgerschaft ist für ihn ebenso wenig wie für alle in Ostdeutschland Lebenden eine Gnade, die sie ein Leben lang nur auf Bewährung haben. Ich finde das Erdogan-Foto unerträglich. Ich finde die AfD unerträglich. Aber muss ich im Falle einer Niederlage das als Grund heranführen? Wohl kaum. Und was dieses Verhalten für eine Wirkung auf alle hat, die immer härter arbeiten müssen, um gleich behandelt zu werden, aber jetzt deutlich sehen, dass sie im Falle des Scheiterns oder einer Niederlage dann doch nicht anerkannt werden, wird hier ignoriert.

Wenn ihr aber denkt, es ginge nicht absurder, dann kommt der Schweizer Fußballverband daher, dessen Generalsekretär Alex Miescher öffentlich darüber nachdenkt, ob Spieler mit doppelter Staatsbürgerschaft überhaupt für die Nationalmannschaft auflaufen dürfen sollen. Mal abgesehen davon, dass diese dadurch zu Bürgern zweiter Klasse würden, ist das schon absurd, weil selbst der Schweizer Trainer Petkovic drei Pässe hat. Nachlesen könnt ihr die Debatte in der Neuen Zürcher Zeitung.

14 Kommentare zu “Was sollte denn ein Kapitänswechsel jetzt bringen?

  1. micha774

    Bei allem Respekt vor eurer Meinung und Felix Kroos, aber mich hat er seit dem er hier ist nie überzeugt.

    Thema DFB:
    Warum sich Özil jetzt noch erklären soll ist mir ein Rätsel. Das Ding ist durch und er sollte zurücktreten. Jetzt noch zu sagen es täte ihm leid und er entschuldigt sich dafür bringt nix. Apropo Rücktritte:
    Das Krisenmanagement beim DFB ist schon beachtlich. Keine Analyse, keine Verantwortung. Alles bleibt beim alten.

  2. Lieber Sebastian,
    könntest du bitte bei Gelegenheit mal ausführen, wo ungefähr die Linie verläuft, die deiner Meinung nach dich und das Textilvergehen vom von dir zum wiederholten Male heraufbeschworenen Stammtisch trennt?

  3. Fjodor_Friedrichshain

    Stammtischmodus on: „Gerade in Liga 2 kommst du ohne eine entsprechende Grundphysis, Zweikampfmentalität und Laufbereitschaft meines Erachtens auf keinen grünen Zweig. Wer das mitbringt, kann dann über Technik und Spielverständnis punkten. Diese Grundlagen habe auch ich bei Felix Kroos vermisst und nicht nur bei ihm. Jeder muss dazu bereit sein, für den Anderen unangenehme Wege zu gehen – so erzeugst du ein psychisch starkes Team. Der Kapitän übernimmt auch hierbei eine Vorbildfunktion.“ Stammtischmodus off

  4. Silberhacke

    Ich habe hier schon einmal gesagt, dass ich Trimmel gern als Kapitän sehen würde. Kroos resigniert schnell, was sich dann leider auch in seiner Körpersprache niederschlägt, und was schwerlich dazu beiträgt, die Mitspieler zum Weiterkämpfen zu motivieren. Trimmel läuft und kämpft bis nichts mehr geht. Das gefällt mir, das reißt mit. Zudem ist er intelligent. Ich glaube schon, dass Kroos über kreatives Potential verfügt. Das wird er aber erst vollends ausschöpfen können, wenn er seine arrogante Trotzigkeit überwindet. Dann werden sich für ihn mit Sicherheit auch Türen in die nächst höhere Spielklasse öffnen. So defensiv wie der Kader zusammen gestellt ist, wäre es aber auch nicht verkehrt, den Stammtorhüter zum Kapitän zu machen.

  5. Hm nun sehen wir, dass dieses Kroosbashing kein einzelnes Phänomen ist, sondern fast eine Art Grundkonsens darstellt.
    Ich würde gern widersprechen, da mir viele Argumente zu simpel daher kommen.
    Was wird ihm vorgeworfen? Arroganz. Gibt zu schnell auf. Bringt keine Mentalität mit. Geht nicht die unangenehmen Wege.

    Das meiste kann man mit einem Fakt widerlegen: Kross spielte das Ende der Saison mit einer Verletzung und unter Schmerzen. Warum, weil er der Mannschaft helfen wollte den Klassenerhalt zu sichern. Nicht um dabei schön auszusehen.

    Interessanter Weise stabilisierter er unser Mittelfeld erheblich, immer zu sehen, wenn er nicht auf dem Platz stand. Das er eher ein ruhiger, norddeutscher Typ ist und kein Lautsprecher und Hampelmann, dies ihm zum Vorwurf zu machen, ist einfach nur billig (und hier definiert sich der Stammtisch). Sein Spielstil ist ruhig und unaufgeregt, was in einer offensiven Position als Ballverteiler möglicherweise noch mehr zum tragen kommt.
    Ich denke mal, dass es nicht eines Schreihalses bedarf um eine Mannschaft zu führen. Die machen nur mehr Wind. Ich glaube schon, dass Felix Autorität in der Mannschaft besitzt.
    Möglicherweise ist Trimmel auch ein guter Mannschaftskapitän, aber auch als Vize hat er einen großen Einfluss und um die Mannschaft anzutreiben braucht es keinen Titel, wie wir es an Micha und Steve gesehen haben.
    Habe ich etwas vergessen?
    Ach ja, warum ist eigentlich bisher niemand auf das Argument der Position im Mittelfeld eingegangen. Eine Position, die ihm viel mehr Freiheiten in der Spielgestaltung erlaubt, wird der Spielweise unserer Mannschaft sehr gut tun.
    Eisern Jan

  6. Horstworking

    Die Körpersprache hat Kroos ja nicht erst seitdem er Kapitän ist. Die verantwortlichen Trainer werden einen Grund gehabt haben, ihn zum Kapitän zu machen. Der einzige Grund ihm die Binde wieder abzunehmen, ist aus meiner Sicht wenn ihn und sein Spiel die Bürde belastet. Aber das kann Urs nur in einem Gespräch mit ihm herausfinden und dann gemeinsam entscheiden ob er Kapitän bleibt oder nicht. Sonst machst du eine Baustelle auf die wir nicht gebrauchen können beim Erreichen des Saisonziel, egal wie das heißt.

  7. Silberhacke

    @jan Du magst es zwar als solches bezeichnen, aber deshalb sind das Formulieren von Vorlieben und die Beschreibung persönlicher Wahrnehmung noch lange kein Bashing und erst recht kein Grundkonsens, da du dich mit deiner Meinung dann als krasser Außenseiter empfinden müsstest. Immerhin sieht dieser Blog, auf dem du dich äußerst, keine Notwendigkeit für einen Kapitänswechsel. Du siehst also, so allein bist du gar nicht. Ja, und im Hofschneiderschen Sinn des Ballbesitzfußballs hat er das Mittelfeld stabilisiert, wenn man das so nennen möchte. Allerdings gingen für meinen Geschmack vom Mittelfeld zu wenige gefahrerzeugende Impulse in die Offensive aus. Aber auch das ist nichts als Subjektive.

  8. Karl Kreuzberger

    Die Frage ist doch:
    Was verliert Urs Fischer bei einem Kapitänswechsel?
    Ich glaube, nicht sehr viel.

  9. framlin

    So weit ich das verstehe, hat ein Kapitän zwei Funktionen. Er ist der ofizelle Chef der Mannschaft und der verlängerte Arm des Trainers.

    D.h. ob der neue Trainer einen Vorteil von einem Wechsel hat oder nicht, ist ne subjektive Geschmacksfrage des Trainers.

    Dass Kroos als Chef der Mannschaft funktioniert, scheint mir offensichtlich, er ist einer der Führungsspieler. Ich denke, man könnte da auch noch Polter oder evtl. Parensen nehmen. Der Trainer wird sich unter den Führungsspielern dann den aussuchen, miit dem er den besten Draht findet. Es sei denn er möchte die Hierarchie der Mannschaft „von außen“ beeinflussen, dann nimmt er vielleicht Hedlund.

    Ob es dann Zuschauer gibt, die dessen Körpersprache, Physis oder Balltechnik gut oder schlecht finden, ist absolut nebensächlich.

    Eine absolut sinnlose Sommerlochdebatte …..

  10. Gerade im schweren letzten Saisondrittel fand ich, dass Kroos mit viel Einsatz und guter Zweikampfführung vorangegangen ist. Ich denke auch, seine Wahrnehmung wäre allgemein eine bessere, würde er wieder offensiver eingesetzt und damit für mehr Torgefahr sorgen. Dass er das kann, zeigte ja sein sehr gutes erstes halbes Jahr bei Union.

  11. sportanwalt

    Ich liebe Felix Kroos, aber ein Kapitän sollte schon auch mal Lust darauf haben, ab und zu etwas (laut) zu sagen…

  12. Ich hab das im Unionforum schon einmal geschrieben:

    Fuer mich ist essentiell dass Felix bestaerkt wird. Ich glaube nicht, dass ihm die Kapitänsbinde in der letzten Zeit Druck genommen, sondern eher zusaetzlich gegeben hat. Mit jemandem wie Schmiedebach allerdings, kann es schon sein, dass er „leichter aufspielen“ kann. Wir werden sehen, wie sich das entwickelt. Ich teile allerdings die Meinung, dass die Binde wenig ueber Teaminterna schwebt bzw sie ist einfach nicht mehr so „das große Ding“ wie vielleicht frueher. Kann man gut finden, muss man aber nicht.

    TL;DR – Felix mit weniger Druck koennte leistungsmaessig Explodieren.

  13. @Silberhacke ich habe mich mit meiner Meinung nie als allein empfunden, ich kenne einige Leute mit denen ich da übereinstimme. Aber mir deucht schon, jedenfalls aus meiner Perspektive, dass Felix gern und oft kritisiert wird und dies m.E.n. oft nicht so viel mit seiner tatsächlichen Leistung zu tun hat.
    Die offensiven Impulse aus dem Mittelfeld fehlten in der letzten Saison, da bin ich mit dir einer Meinung.

  14. Musiclover

    @Jan,
    die statistischen Daten im heutigen Blogeintrag sprechen dafür, dass Felix doch zurecht für seine Leistungen kritisiert wurde, wenn bei einigen Kritikern sicherlich auch noch andere Aspekte in die Bewertung mit einfließen.

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