Blog State of the Union

Der wehmütigste Abschied mit dem meisten Stolz

Am Anfang der neuen Saison wird Steven Skrzybski nicht mehr Spieler des 1. FC Union sein. In diesem Zustand war die Welt seit 18 Jahren nicht mehr, als ein siebenjähriger Stevie anfing, bei Union Fußball zu spielen. Seitdem spielte er in allen Jugendmannschaften, schließlich seit der Saison 2010/11 insgesamt 9.327 Minuten lang für die Profimannschaft, gut halb so viel für die Zweite. Zu Buche stehen in 143 Profispielen 30 Tore und 18 Vorlagen. Aber keine dieser Zahlen beginnt auch nur damit, zu beschreiben, was Skrzybski für Union und Unioner bedeutet. Und noch viel weniger tun das die 3,5 Millionen Euro festgeschriebene Ablöse, für die Skrzybski zu Schalke wechselt.


Einer der Gründe dafür, dass die Geschichte von Steven Skrzybski bei Union so schön ist und so starke Gefühle hervorruft, liegt darin, dass sie nicht unvermeidlich war. Der junge Skrzybski war talentiert, aber vielleicht kein überragendes, glitzerndes Talent. Und seine Entwicklung zu dem Spieler, der er inzwischen wurde, war offenbar gefährdet – nicht nur von der Fragilität seiner schmalen Statur, sondern auch davon, vielleicht nicht rechtzeitig eine Chance zu bekommen, sich zu beweisen. Oder diese Chance, als sie kam, nicht schnell und offensichtlich genug zum Beispiel mit Toren zu nutzevn.

Es ging schnell, dass Skrzybski für viele Unioner ein Anliegen wurde, aber es ging nicht schnell, dass er sich in der ersten Mannschaft durchsetzte und sich sein Bemühen dort in zählbaren Erfolgen niederschlug. Es dauerte sogar ausgesprochen lange für einen Stürmer, bis er Tore in der Bundesliga schoss. Und eigentlich war die gerade abgelaufene Saison die erste, in der Skrzybski eine für einen Angreifer wirklich gute Zahl an Toren aufweisen konnte (seine Tore/90 Minuten Quote war 2017/18 die zehntbeste in der Liga, die viertbeste, wenn man nur Spieler mit relevant langer Einsatzzeit betrachtet – sorry, Sören Brandy).

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Es gab Zeiten, da sah Stevie immer halb so groß aus wie seine Gegenspieler, Photo: Stefanie Fiebrig

In den Jahren seit seinem Debüt in der zweiten Liga konnte man mit ansehen, wie Skrzybski in sich hinein wuchs. Und zwar rein körperlich und charakterlich, bis er seit einigen Jahren zu den Leistungsträgern gehörte, und allerspätestens in dieser Saison auch unbestritten einer oder der Führungsspieler in der Mannschaft wurde.

Gerade in dieser Saison war dieser Führungsanspruch und die Bedeutung, die Union auch andersherum für Skrzybski hat, besonders sichtbar (wie man auch auf Facebook nachlesen kann, wo Skrzybski seinen Abschied erklärt). Auf Grund der Art, in der diese Saison sportlich lief, äußerte sich das auch oft als Frustration, die Skrzybski aber immer in Antrieb umsetzte. Dass Skrzybski seine persönlich stärkste und produktivste Saison hatte, als es bei Union nicht insgesamt nicht lief, ist einerseits tragisch. Denn hätte er diese Form am Ende der letzten Saison beitragen können, statt verletzt zu fehlen, hätte das vielleicht gereicht, aufzusteigen.

Es ist andererseits aber auch ein Zeichen dafür, dass Skrzybski seinem Verein entwachsen ist. Und es trägt dazu bei, dass niemand seinen Wechsel zu dem anderen Verein, für den sein Herz schlägt, der aber in der ersten Liga und in der Champions League spielt, mit Bitterkeit sieht. (Außer vielleicht darüber, dass Union in den Jahren, in denen es diesen Steven Skrzybski hatte, nicht gelungen ist, das Potential der Mannschaft auszuschöpfen). Es ist deshalb nicht weniger traurig, dass Steven Skrzybski bald nicht mehr für Union spielt, aber die Wehmut, die Unioner darüber fühlen, mischt sich mit Stolz, und nicht mit Enttäuschung – was vielleicht der Fall gewesen wäre, hätte die Episode im Winter zu einem verfrühten, falschen Abschied geführt.

Sebastian hat hier vor einiger Zeit schon einmal aufgeschrieben, dass und weshalb Steven Skrzybski für Union unersetzbar ist, und der Verein, in den Worten von Präsident Dirk Zingler, sich „einen Stürmer kaufen kann, aber keinen Steven Skrzybski.“ Denn einen Spieler wie Skrzybski zu haben, kostet eben nicht (nur) Geld, sondern auch und vor allem die 18 Jahre Geschichte und involviert-sein, an denen es liegt, dass sein Abschied vielen so nahe geht. Obwohl auch das natürlich nicht nur eine Frage der Zeit ist, sondern auch davon, wie man sich in dieser Zeit erlebt.

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Skrzybski ist gerade erst dabei, in sein bestes Fußballeralter zu kommen. Aber schon ewig da – weil er sehr jung angefangen hat, seinen Weg in Unions erster Mannschaft zu machen, Photo: Stefanie Fiebrig

Dabei wird einen rein sportlichen Ersatz zu finden schwer genug. Es gibt nicht allzu viele Angreifer, die Skrzybskis Qualität im Abschluss, im Pressing und auch Kreativität vereinen und deshalb so gut und vielseitig sind. Am nächsten kommt dem in Unions Kader Simon Hedlund, der aber noch einige Stufen auf der Steven-Skrzybski-Evolutionsleiter zu erklimmen hat. Niemand war so omnipräsent wie Skrzybski gegen Bochum, niemand hat so schöne Tore geschossen wie Skrzybski gegen Kiel (egal, welches von beiden). Und niemand improvisiert Tore so oft und so unerwartet wie er – zuletzt noch einmal gegen Bochum.

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Steven Skrzybski in seinem vielleicht besten Spiel für Union, Photo: Stefanie Fiebrig

Bevor wir sehen, was passiert, um wenigstens die sportliche Lücke zu füllen, die Stevie hinterlässt, bleibt nur, ihm bei (auf) Schalke alles Gute zu wünschen beim Versuch, auf höchstem Niveau seine „sportlichen Grenzen auszuloten,“ wie er in seinen Abschiedsworten schreibt.

In Bildern nachvollziehen kann man Skrzybskis Weg bei Union auch in Union auf Englisch

Die Berliner Medien über Skrzybskis Wechsel:

Die andere Nachricht gestern

Der Kurier berichtet gestern außerdem, dass einer der Kandidaten für die Trainerstelle bei Union Nestor ‚El Maestro‘ Jevtic ist. Er ist gerade mit Spartak Trnava slowakischer Meister geworden. Ich weiß nichts über ihn oder den Fußball, den er spielen lässt. Statt zu wiederholen, was dort steht, verweise ich also hier erstmal auf seine Wikipedia Seite und warte ansonsten ab, ob sich die Geschichte erhärtet (und schaue mir vielleicht in der Zwischenzeit ein paar Spiele von Trnava an).

Einen neuen Trainer und eine nicht-neue Trainerin hat dagegen Unions 2. Frauen.

Und sonst so

Claus-Dieter Wollitz weiß nicht, was der Ku Klux Klan ist oder dass ‚Zigeuner‘ vielleicht eine Beleidigung sein kann.

Christopher Quiring will angeblich nach Altglienicke.

Benni Köhler eröffnet ein Eiscafé.

Und Damir Kreilach geht es in Salt Lake City gut. Seinem Arbeitgeber dagegen nicht: einem Trainer des Farm Team von Real Salt Lake wird häusliche Gewalt vorgeworfen..

Aber in den USA passiert auch Gutes:

4 Kommentare zu “Der wehmütigste Abschied mit dem meisten Stolz

  1. Letztlich halte ich die Trainerfrage für entscheidender als den Stevie-Abgang. Vielleicht kommt ja einer, der die Qualitäten der noch vorhandenen Angreifer optimal ausreizt. Allzu schlecht sehe ich uns da nicht aufgestellt. Nur ein veritabler Polter-Backup (von der Spielweise und Statur her) wäre sinnvoll, um in vorderster Front nicht allein auf Hosiner angewiesen zu sein.

  2. @Basti: Ich finde, wir sollten uns bemühen, den Alex Meier mit einem 1-Jahresvertrag an die alte Försterei zu locken, um ein passendes Backup für Polti zu haben. Dass Hosiner diese Rolle schon allein von der physischen Grundkonstitution nicht ausfüllen kann, haben wir leider in der letzten Saison schmerzlich feststellen müssen. Sein Charakter und Erfahrung könnten außerdem eine große Hilfe für eine neue, junge Truppe sein.

  3. Ich befürchte, Alex Meier würde auch bei etlichen Bundesligisten unterkommen und möchte zudem möglichst nicht weit von Frankfurt wegziehen. Aber grundsätzlich: Ja, so ein erfahrener Backup, der nicht groß murrt, wenn er nicht mehr Nummer 1 ist, wäre was.

  4. Sebastian

    Alex Meier hat uns damals mit einem Dreierpack aus dem Pokal geschossen. Der muss hier also noch was gut machen. :-)

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