Blog State of the Union

Wie Union in der Wut über den Schiedsrichter nicht den Blick für das Spiel verlor

Es gab eine Szene gestern beim 3:1 gegen Kaiserslautern, bei der ich kurz an Partien früherer Spielzeiten gedacht hatte. Damals als Union-Mannschaften vollständig den Kopf und die Ordnung verloren, weil sie sich vom Schiedsrichter-Team ungerecht behandelt gefühlt hatten. Es war direkt nach der Situation, in der der Schiedsrichter auf Ecke statt auf Handelfmeter für Union entschied. Die Ecke führte zu einem Einrücken und Schussversuch von Kristian Pedersen und genau in dem Moment zu einem Ballgewinn für Kaiserslautern, die daraufhin mit 3 gegen 2 auf das Uniontor stürmten.

Screenshot: AFTV

Und genau ab diesen Zeitpunkt unterscheidet sich das Unionteam dieser Saison von dem anderer Spielzeiten. Denn Stiebers Pass von außen war so schlecht, dass er von einem Verteidiger abgefangen wurde. Das Ende ist bekannt, das Unionteam beruhigte sich und gewann durch zwei weitere Tore.

Nun wurde Jens Keller auf der Pressekonferenz (gibt es auf AFTV) gefragt, ob diese Schlussoffensive ein Zeichen für den Rest der Saison sein könnte. Der Trainer hatte offensichtlich die Nase voll davon, sich mit Zeichen für die verbleibenden Spiele zu beschäftigen und sagte dann nur: „Wir können jetzt Woche für Woche uns fragen, was ist der Ausschlag, ob wir dabei bleiben oder nicht dabei bleiben … aber wir haben heute gewonnen und das war wichtig, um dabei zu bleiben.“

Das sind Dinge, die Jens Keller gerne sagen kann auf Pressekonferenzen und er weiß genau, dass diese Partie mit dem gleichen Aufwand am Ende auch ein Ergebnis in Richtung Kaiserslautern hätte haben können. Vielleicht wollte er deswegen nicht so viel hineingeheimnissen, und vielleicht tut es allen auch gut, nicht an das Große und Ganze zu denken, sondern sich tatsächlich jetzt die restliche Saison in 5 Etappen aufzuteilen.

Doch ich habe gestern viel Lust gehabt, beim Spiel den Glastisch im Wohnzimmer meiner Eltern umzukippen, so viel musste bei den Toren von Sebastian Polter und Philipp Hosiner raus. Und ich habe genau diese Emotionen im Stadion, bei den Spielern und auch bei Jens Keller gesehen. Diese beiden Tore waren wie eine Befreiung. Von diesem Spiel gegen Kaiserslautern und irgendwie vielleicht auch von der aus Ergebnissicht verkackten Englischen Woche.

Jens Keller nehme ich seine sachlichen Sätze auf der Pressekonferenz ebenso wenig ab, wie seinen Kommentar, dass Felix Kroos wegen des Unmuts über eine Schiedsrichterentscheidung ein paar Trinkflaschen nach seiner Auswechslung umgekickt hätte. Jens Keller wird gewusst haben, dass sein Kapitän so auf seine Auswechslung und nicht auf eine Schiedsrichterentscheidung reagiert hat. Schließlich hat Kroos sowohl den Co-Trainer als auch den Trainer so wütend abgeklatscht, dass beide wohl rote Abdrücke auf ihrer Hand gehabt haben mussten.

Das ist dann ein Moment, in dem ich die Gesetztmäßigkeiten des Fußball-Business nicht verstehe. Wir verlangen nach Emotionen und die haben wir bekommen. Wir haben Leidenschaft, Kampf und Willen gesehen. Und dann soll ein Spieler, der gut in der Partie war, ganz plötzlich auf Ruhepuls runterfahren, wenn er ausgewechselt wird? Jens Keller hat das gemacht, was ich häufig mit dem pubertierenden Teenager hier im Haushalt mache, der sich auch mal Luft machen muss. Weggehört und eine Viertelstunde später, als die Wut weg war, ein paar Worte mit ihm gewechselt. Erledigt. Denn das ist eine Lappalie, die nur den Weg für das Wesentliche verstellt, wenn man sich zu lange damit aufhält.

Foto: Tobi/unveu.de

Eine taktische Analyse der Partie findet ihr bei Eiserne Ketten: Schulter über Schulter

Hier gibt es die Artikel der Berliner Medien zum Spiel:

Und hier die Fotos vom Spiel:

Ich habe mich sehr über diese Geste für Lisa Görsdorf für ihren Kampf gegen den Krebs gefreut:

Und was war sonst noch los?

  • Für die Welt ist eine Autorin zu einem Union-Spiel gegangen, die sonst mit Fußball nichts zu tun hat. Heraus kam ein Text, in dem deutlich wird, dass sie mit dem Erlebten fremdelt. Kann man gut finden, kann man doof finden. Kann aber auch egal sein. Für mich fasst dieser Text die Trennung zwischen „E“ und „U“ ( steht leider nicht für Eisern Union, sondern für „Ernst“ und „Unterhaltung“) in Deutschland ganz gut zusammen. Aber das ist eine andere Diskussion.
  • Wer lieber den Bauch gepinselt bekommt, sollte sich den Text hier aus der Welt zu Gemüte führen: Das Meisterwerk des Fußballgotts
  • Steffen Baumgart ist seit gestern Trainer des SC Paderborn und hat nicht weniger als einen Feuerwehrmannjob übernommen: Er soll den Abstieg vermeiden und bekommt nur einen Vertrag bis Saisonende. Paderborn liegt in der 3. Liga auf dem 19. Platz und hat 4 Punkte Abstand auf einen Nichtabstiegsplatz. Viel Erfolg bei der Mission Baume!
  • Der RBB Sportplatz hat gestern das Union-Kinderbuch vorgestellt: Hier könnt ihr das Buch bestellen!
  • Campi war während des Spiels in Italien, aber seine Spielzusammenfassung (hier beim Blog der Eisernen Wildsäue) ist nicht weniger treffend: „Denn als die 3 Punkte soweit weg schienen, wie ne Versöhnung bei Sarah und Pietro (wie gehts eigentlich Allesio?), haben wir endlich wieder das Glück rausgefordert, dass uns hoffentlich bis zum 21.5. hold bleibt“

2 Kommentare zu “Wie Union in der Wut über den Schiedsrichter nicht den Blick für das Spiel verlor

  1. Ich versteh nicht ganz, wie Unions neues Team aus Stiebers schlechtem Pass hergeleitet werden kann. Dass man sich danach noch am eigenen Schopfe aus dem Sumpf gezogen hat, okay. Aber im Grunde war es doch eher ein Zeichen für das „alte Union“, dass dieser Konter überhaupt zugelassen wurde. Ein guter Gegner gewinnt in so einer Situation das Spiel.

    • @Basti Das ist natürlich der Schwachpunkt meiner Argumentation. Stieber hat das wirklich schlecht gemacht. Für mich war der Punkt, als Union nach dieser Aktion wieder Ruhe ins eigene Spiel gebracht hat, der wirklich entscheidende Wandel. Ein besserer Gegner hätte Union diese Möglichkeit nicht gelassen, da hast du recht.

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