Blog State of the Union

Wir sollten alle viel deutlicher machen, welchen Fußball wir wollen

Es wäre jetzt billig, den geplanten Protest beim Auswärtsspiel in Leipzig (der Kurier bezeichnet den Protest schon als Tradition) als „bringt ja eh nichts“ einfach abzutun. 15 Minuten sollen die Ränge des Gästeblocks im Zentralstadion zu Anpfiff leer bleiben. 15 Minuten, die zeigen sollen, was passiert, wenn das Projekt Red Bull in Deutschland Vorbild für eine ganze Bewegung an Klubs wird, und die Liga zu einer seelenlosen Veranstaltung verkommt. Wobei wir in Deutschland vielleicht auch ohne Red Bull schon auf einen Weg dorthin sind, wenn ich die „Zukünftige strategische Ausrichtung der Bundesliga“ zur Erhöhung ihrer Einnahmen und zur Minimierung ihrer Risiken richtig deute. Initiiert vom sich selbst als Malocherklub bezeichnenden FC Schalke 04.


Foto: Matze Koch

Es ist die Frage, ob es wirklich nur um das meiste Geld gehen muss. Denn es wird immer Ligen geben, in denen plötzlich mehr Geld vorhanden ist (aktuell China). Aber ist das Geld tatsächlich der Treiber der Entwicklung oder steht die Bundesliga davor, für die Jagd nach mehr Geld etwas zu opfern, was unwiderbringlich ist? Soziale Durchmischung im Stadion beispielsweise durch moderate Eintrittspreise. Das gleiche gilt für die Unterstützung der Mannschaft auch auswärts durch Erhalt der entsprechenden Gästekontingente. Mitbestimmung als hohes Gut wurde bei vielen Klubs durch Ausgründungen der Lizenzspielerabteilungen bereits geopfert.

Es ist ein bisschen mein Mantra, ständig die Frage zu wiederholen: Was für einen Fußball wollen wir eigentlich? Den, der der Champions League alles unterordnet? Das wäre der Fußball von fünf bis sieben Klubs in Deutschland. Das wäre ein Fußball der selbst innerhalb einer schon abgehobenen Elite von 36 Klubs das Solidaritätsprinzip aufgibt. Und das wäre auch der Fußball, der den Aufstieg eines Klubs fast verunmöglichen wird. Es sei denn, er wäre ein investorgetriebenes Projekt. Es wäre die vollständige Abkopplung der Bundesliga vom restlichen Vereinsfußball in Deutschland.

Ich will das nicht. Und deshalb halte ich den Protest für wichtig. Den Protest gegen Red Bull. Den Protest gegen Klubs, bei denen erst ein neuer Sponsor kommt und dann eine Haltung. Und vor allem den Protest gegen Klubs, die eine völlige Abkopplung der Bundesliga anstreben. Wir sollten alle viel deutlicher machen, welchen Fußball wir wollen.

Zum Sport: Auch wenn Union nicht mitteilt, wie lange die einzelnen Verletzungen von Felix Kroos (muskuläre Probleme), Toni Leistner (Muskelverletzung im rechten Oberschenkel) oder Fabian Schönheim (Muskelverletzung im Oberschenkel links innen) dauern, klingt der Satz „Der Einsatz aller drei Spieler […] ist derzeit fraglich“ nicht besonders optimistisch. Die Bild schreibt gar (allerdings ohne Quelle), dass Leistner für vier Wochen fehlen wird. Das ist für mich schwierig vorherzusagen, weil die Muskelverletzungen nicht genauer benannt wurden. Aber es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, dass Schönheim und Leistner am Freitag nicht dabei sein können. Umso mehr kommt es auf die ordnende Hand von Emanuel Pogatetz an (Kurier).

#fcunion trainiert heute seit 18 Uhr im #stadaf

Ein von Matze Koch (@matzekoch_) gepostetes Foto am

Heute ist übrigens auch die Spieltagspressekonferenz vor der Partie in Leipzig:

Nico Schäfer plaudert zum Abschied

Auf AFTV gibt es ein 70-minütiges Interview mit Nico Schäfer, dass mir am Ende deutlich zu kurz war. Darin hat der nun ehemalige Manager (oder offiziell: kaufmännisch-organisatorischer Leiter der Lizenzspielerabteilung) über seine fast fünf Jahre bei Union geplaudert, ein paar Restaurant- und Bartipps aus dem Ärmel geschüttelt und für ein bisschen Klarheit in zurückliegenden Fällen gesorgt. Wir erfahren, warum viel versprechende Spieler wie Santi Kolk, Baris Özbek oder Tijani Belaid bei Union gescheitert sind und was Felipe Gallegos, Abdallah Gomaa und Chinedu Ede gemeinsam haben.

Das große Abschieds-Interview mit Nico Schäfer. Jetzt auf #AFTV! #fcunion http://ow.ly/YnbdI

Ein von 1. FC Union Berlin (@1.fcunion) gepostetes Foto am

Warum Markus Karl mitten in der Saison ging

Für mich wichtig war, dass Schäfer endlich einmal öffentlich (jedenfalls AFTV-öffentlich, ungefähr ab Minute 33:00) erzählt hat, warum Markus Karl mitten in der Saison nach Kaiserslautern wechselte. Laut Schäfer stand Karl mit Union in Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung, hatte aber ohne das Wissen von Union bereits zuvor einen Vertrag mit dem FCK abgeschlossen. Aufgrund dieses Wortbruches hätte es keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit gegeben und wäre der sofortige Wechsel vollzogen worden. Das dürfte auch für bis jetzt Uneingeweihte erklären, warum der früher so gemochte Markus Karl bei Unionern nicht mehr so wohlgelitten ist.

Wir erfahren, dass es eine Kaufoption für Sebastian Polter gab (ungefähr bei Minute 43:00), aber die Bedingung dafür fast unerfüllbar war und warum Kaufoptionen unglaublich schwierig zu verhandeln sind und bei bestimmten Spielern ein Leihgeschäft verunmöglichen können (aktuelles Beispiel Felix Kroos).

Mir etwas zu kurz kommt der Grund für den Abschied von Nico Schäfer. Am Ende bleibt er etwas allgemein und sagt nur, dass seine Vorstellung von der zukünftigen Ausrichtung des Vereins und die von Dirk Zingler nicht zusammengepasst hätten, aber beide sich darauf verständigt haben, in fünf Jahren noch einmal miteinander zu telefonieren und zu schauen, wer Recht hatte.

Wir kennen Dirk Zinglers Wunsch nach einer Etablierung von Union in den Top20. Und Nico Schäfer betonte in dem Gespräch auf AFTV mehrfach, wie sehr Union noch Zeit benötige, sich überhaupt in der Zweiten Liga zu etablieren. Das dürfte dann ungefähr die Linie gewesen sein, bei der beide nicht mehr zusammenkamen.

Persönlich halte ich den Weggang von Nico Schäfer für einen riesigen Verlust. Ich kann seine konkrete Arbeit nicht beurteilen, weil sie vor allem nichtöffentlich stattfand. Aber ich weiß, dass er als Mensch im Verein immens wichtig war und eine riesige Lücke hinterlässt (nicht nur was Restauranttipps betrifft). Er ist ein Mann des Ausgleiches, der Dinge nicht eskaliert, sondern versucht, sie ins Gleichgewicht zu bringen. Deshalb an dieser Stelle ein ganz persönliches Dankeschön für die Hilfe im Trainingslager in Spanien vor vier Jahren. Und ich werde die kurzen Plaudereien am Aschenbecher vor dem Presseingang sehr vermissen.

Was kostet Flutlicht?

Damit wir nicht so schwermütig in den Tag gehen, noch etwas Unterhaltung zum Abschluss. Gestern gab es unter einem Instagram von Union eine Frage, die nahe an die absurde Diskussion „Was kostet Flutlicht?“ im Unionforum herankommt. Aber seht selbst:

betretenverboten
Screenshot: 1. FC Union/Instagram

3 Kommentare zu “Wir sollten alle viel deutlicher machen, welchen Fußball wir wollen

  1. Zum Thema GELD

    Der Kind aus H96 fordert seit Jahren die Aufhebung der 50+1-Regel.
    Kann dem jemand mal erklären, dass dann alle Vereine mehr Geld haben, sich der Abstand untereinander nicht verändert und Hannover trotzdem Letzter wäre? Das was sich ändert sind Eintrittspreise und Spielergehälter

  2. Wollt Ihr einen Fussball, in welchem die Gäste im Gästeblock mit Buttersäure empfangen werden? Wollt Ihr einen Fussball, in welchem die Gäste als „Schädlinge bekämpft“ (T-Shirt-Aufdruck von Union-Fans: Schädlingebekämpfer, gegen „Rattenball“) werden?
    Meine Haltung: Ich will so einen Fussball nicht. Und ich werde mich dafür einsetzen, dass es so einen Fussball bei RB Leipzig nicht geben wird.
    Es wäre aus meiner Sicht nur anständig, wenn sich wenigstens einer von Vereinsseite bei Union mal für solche Auswüchse entschuldigen würde.

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