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Der Spieler als Visitenkarte seines Beraters.

Am Sonntag waren Schalkes Keeper Timo Hildebrand und sein Berater Jörg Neblung bei 11mm. Anlass war der Dokumentarfilm „Spielerberater“ von Klaus Stern. Das von Andreas Leimbach-Niaz moderierte Gespräch im Anschluss beschränkte sich aber nicht darauf. Herzlichen Dank den Organisatoren des Festivals für die hochkarätige Besetzung auf der Bühne, insbesondere aber für die Möglichkeit, aus dem Publikum heraus Fragen zu stellen. Vielen Dank nicht zuletzt an Jörg Neblung und Timo Hildebrand für ihre klaren und offenen Worte.

Wenn man ihn fragt, was er beruflich macht, antwortet Jörg Neblung gerne: Menschenhändler. Die Leute zucken dann zusammen, erzählt er. Einige gehen darüber hinweg, weil ihnen das Thema unbehaglich ist. Andere fragen weiter. Gelegentlich sagt er dann, er sei Agent. Das ist vielschichtiger und schließt Betätigungsfelder ein, die mit der Spielervermittlung nichts zu tun haben, wie etwa Sponsoring und PR. Dass seine Branche keinen guten Ruf genießt, ist ihm bewusst. Damit lebt er. „Ich habe immer die Wahl, ich kann ja auch irgendwas anderes machen.“ Der schlechte Leumund der Spielerberater kommt nicht von ungefähr. „Es sind die großen, die viel Unfug machen und unsere Branche dann auch oftmals in Verruf bringen. Die Kleinen sind die, die sehr früh an Talente herangehen und oftmals mit wilden Versprechungen aufwarten.“ Was „sehr früh“ bedeutet, führt er näher aus. „Wenn wir an einen 15jährigen herantreten und dann hören, er hat schon seit 2 Jahren einen Beratervertrag.“ Dass Außenstehende zusammenzucken, wenn sie hören „Der Vater hat seinen Sohn verkauft“, versteht Neblung. „Ich weiß nicht, ob es Geldkoffer gibt, aber es gibt tatsächlich so einen Obulus, wenn man seinen Jungen zuführt. Das ist natürlich schwierig, wenn es um Dienstleistung geht. Ich soll eine Beratungsleistung erbringen und dafür erstmal noch Geld zahlen – da sträubt sich mir doch einiges.“ Er habe das bisher nicht gemacht und sei glücklich damit. „Ich möchte, dass mein Klientel meine Referenz ist. Dass man anhand der Spieler, die ich vertrete, erkennt, wie meine Dienstleistung aussieht. Ich glaube auch, dass das Klientel so eine Art Visitenkarte ist, die jeder Berater hat.“

Jörg Neblung war auch der Berater von Robert Enke. Es bleibt nicht aus, dass er auf Enkes Tod angesprochen wird, verbunden mit der Frage, ob sich die Arbeitsweise der Berater dadurch messbar verändert habe. „Es hat sich sehr, sehr viel getan. Man muss sich nur die Mühe machen hinzugucken. Wir haben das Thema Depression deutlich enttabuisiert.“ Das wirkt sich mittelbar auf die Arbeit eines Beraters aus, der Gespür und Verständnis dafür haben sollte, dass ein Spieler manchmal überraschend den Rückzug antreten muss.

Dem Berufszweig der Spielervermittler wird immer wieder mangelnde Transparenz vorgeworfen. Neblung legt Wert auf Transparenz und geht in dem Film von Klaus Stern sehr offensiv mit der Frage nach seinen Interessen und seiner Beteiligung um. „Das ist ein gewisser Selbstschutz. Wenn ich meine Provision transparent gestalte, kann nicht irgendwann mal ein Sportdirektor kommen und sagen, der hat aber soviel bekommen. Das hätte dein Anteil sein können.“ Dann zeichnet er in Gedanken eine Tortengrafik. „Wenn du ohne Berater kommst, wird dem Spieler gesagt, ist das deine Torte. Wenn du mit Berater kommst, nehme ich dir so ein Stückchen raus.“ Was auf den ersten Blick verheißungsvoll aussieht, übervorteilt häufig den Spieler. „Wir sind die Interessenvertretung der Spieler, nicht der Vereine.“

Timo Hildebrand hatte mit 15 die ersten, großen Anfragen. Einen Berater hatte er zu der Zeit noch nicht. Nach Stuttgart ist er dann mit seiner gesamten Sippschaft gereist, mit Onkels und Tanten, die ihren Segen dazu gegeben haben. „Das war sehr ungewöhnlich für die Verantwortlichen vom VfB.“ Ein Familiennetzwerk hat in der Regel keine Kenntnisse und keine Vernetzung auf dem Markt und „kann nicht mal eben bei Schalke 04, bei Borussia Dortmund, beim VfL Bochum anrufen und fragen, wie findet ihr denn meinen Sohn?“, sagt Jörg Neblung. „Da können wir dann schon helfen und versuchen, das eher subjektiv geprägte Bild des Vaters zu korrigieren. Das ist manchmal ein massiv schwerer Auftrag, den wir haben. Viel Aufklärungsbedarf, zum Teil.“

Natürlich sind es die Berater, die auf Spieler zugehen. Dazu Timo Hildebrand: „Extrem war es in der Zeit, als ich keinen Verein hatte. Da ist alle paar Tage ein anderer Berater gekommen, mit dem ich mich getroffen hab.“ Alle hatten sie Angebote für ihn. Wie aber überzeugt ein Berater den Spieler von einer Zusammenarbeit? „Verstell dich nicht“, rät Jörg Neblung. Das sagt er auch seinen Spielern. „Sei authentisch in dem, was du machst. Versuch nicht, irgendeine Rolle zu spielen. Das merkt jeder Fan, die Presse merkt´s sowieso. Und genauso gehe ich auch in so ein Gespräch.“ Die Spieler, die bei Neblung sind, müssen Kritik vertragen. „Das machen die weniger etablierten Kollegen, die sagen, du bist einfach der Beste, und du musst irgend woanders hin, und du musst auch unbedingt den Verein wechseln – denn erst dann bekomme ich meine Provision.“ Häufige Wechsel, mehr Geld für den Berater? „Wir werden heute bezahlt nach dem Verbleib des Spielers beim Verein.“ Dass für einen Dreijahresvertrag mit einem Mal bezahlt wurde, war vor seiner Zeit. „Dann waren wir aufgefordert, nächstes Jahr wieder den nächsten Transfer zu machen, wenn´s irgendwie geht. Heute bekomme ich eine Provision, wenn Timo noch ein Jahr auf Schalke bleibt.“ Hildebrand fügt hinzu: „Ich glaube, dass es brutal schwer ist, für junge Spieler. Die sind 16, 19, 20. Da kommen viele Menschen auf einen zu, gerade im Erfolgsfall.“ Dass man da Fehler macht und nicht genau weiß, wie es in der Branche läuft, liegt für ihn auf der Hand. Die Bundesliga hat ihn in vielerlei Hinsicht verändert, glaubt Timo Hildebrand. „Als ich angefangen habe in der Bundesliga, war ich ein Hemd, würde ich sagen. Aber dann hatte ich irgendwann mal Felix Magath als Trainer …“ Er kommt nicht dazu, den Satz zuende zu sprechen, großes Gelächter unterbricht ihn. „Das war wirklich ein Stahlbad, danach kann nix Schlimmeres mehr kommen.“

Als Hildebrand nach seinem Versuch, ohne Berater den Verein zu wechseln, gefragt wird, ergreift statt seiner direkt Jörg Neblung das Wort. „Es geht darum, den Markt transparent zu gestalten und Klinken zu putzen. Anzurufen und zu gucken, ist erstens ein Bedarf da? Zweitens, könnte Timo reinpassen? Drittens, geht das überhaupt von den Gehaltsvorstellungen? Wenn ein Verein ein Interesse an einem Spieler hat, hat er ja seinen Wunschkandidaten. Dann ist es leichter, das mit einem unerfahrenen Elternteil oder mit dem Spieler selber auszuhandeln. Außer mit Frau Illgner. Die hat massiv hart verhandelt. Aber wir sind Makler. Wir sind Vermittler. Wir leben von Vermittlungsprovisionen.“ Timo Hildebrand erklärt, in welcher Situation er sich zu der Zeit befand. Hoffenheim hat seinen Vertrag geändert. „Ich hatte einen schweren Stand, weil sich auch jeder gefragt hat, warum verlängert Hoffenheim den Vertrag nicht? Dann habe ich versucht, einen Verein zu finden, ohne Berater. Das hat überhaupt gar nicht funktioniert, weil dann jeder Berater beim Verein anruft und den Spieler anbietet. Das ist unseriös. Ich war auch nicht in der komfortablen Situation, dass mich der Verein kontaktiert hat. Das wäre am einfachsten gewesen.“ In der Zeit hat er Neblung kennen gelernt und ist mit ihm nach Lissabon gewechselt.

Gelegentlich trennen sich die Wege von Spieler und Berater. Mal sind es der Spieler und/oder sein Vater, die gehen, wenn die Vorstellungen von dem, wo ein Spieler hingehört, nicht deckungsgleich sind. „Dann verliert man auch mal einen Spieler, weil wir dann zu wenig geleistet haben“, sagt Jörg Neblung. Auch der umgekehrte Fall kommt vor. „Es gibt Spieler, die sich nicht mehr weiter entwickeln, weil die Prioritäten bei den Mädels liegen und nicht auf dem Platz. Oder die einfach eine super Karriere als Türsteher bei einer Diskothek machen könnten.“ Wenn er einem Spieler sagen muss „Es tut mir leid, ich habe es nicht geschafft, dich auf dieses Level zu bringen“, klingt das Bewusstsein für seinen Teil der Verantwortung an der Karriere des Spielers durch. „Irgendwann übergeben wir den Staffelstab an den Spieler, da muss er funktionieren. Dann kommen wir hoffentlich in die glückliche Situation, einen besseren Vertrag verhandeln zu dürfen als den vorherigen. Das gelingt uns aber nicht immer.“

Ist ein Spielerberater auch Lebensberater? Timo Hildebrand wurde unlängst über Facebook verbal angegangen. Wie wichtig ist der Berater bei dem angemessenen Umgang mit solchen Situationen? „Man gibt durch Facebook, durch dieses soziale Netzwerk, die Möglichkeit, mit den Fans zu kommunizieren. Das wird von vielen genutzt, aber solche Kommentare haben selbst da nichts zu suchen. Ich habe das kommentiert, ohne vorher mit Jörg darüber zu sprechen und gesagt, das geht nicht“, so Hildebrand. „Natürlich gibt es auch viele Sachen, die wir zusammen besprechen. Aber solche Sachen …?“ Jörg Neblung bestärkt ihn darin. „Das ist öffentlich. Ich habe ganz klar gesagt: Gegenfeuer. Dass man das auch öffentlich thematisiert. Dass man den Nutzer sperren lässt. Es war keine private Nachricht, jeder konnte das sehen. Von daher hat Timo auch das Recht, das öffentlich zu kommentieren. Er hat sehr viel toleriert. Wenn man sich in sozialen Netzwerken bewegt, dann ist man öffentlich und muss mit den Konsequenzen leben, aber alles nur bis zu einem gewissen Level. Der war einfach überschritten.“

3 Kommentare zu “Der Spieler als Visitenkarte seines Beraters.

  1. Immanuel (@immnski)

    Eine großartige Zusammenfassung. Obwohl ich da war, konnt ich jetzt nochmal alles sehr schön rekapitulieren.

  2. Vielen lieben Dank! Ich finde, das sind alles so Sachen, über die man wenig weiß, oder richtiger: über die ich wenig weiß. Da bin ich dann immer sehr froh, wenn die 11mm-Crew Gesprächsrunden dieser Art aufstellt.

  3. […] von Hildebrand und Spielerberater Neblung beim 11mm-Fußballfilmfestival, die Stefanie Fiebrig für Textilvergehen aufnahm (letzter […]

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