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Früher war mehr Begeisterung.

Kurz dachte ich, die EM-Stimmung sei endlich da, wo sie hingehört: bei mir. Das war kurz nach meinem einzigen korrekt getippten Spielergebnis. War aber gar keine EM-Stimmung, war nur die momentane Euphorie des Rechthabens. Nach einer Woche Europameisterschaft glaube ich inzwischen nicht mehr daran, dass wir noch zusammenkommen.

Ich bin ein sehr begeisterungswilliger Mensch, wenn es um Fußball geht. Ich finde Rudelkucken gut, ich finde Bier gut, ich finde Männer gut – hab ich was vergessen? Trikots. Doch, Trikots gefallen mir auch. Bedauerlich, dass die schönen traditionell zu kurze Auftritte haben. Schweden. Portugal. Die Gaffa-Tape-Beschriftung der Niederlande. Das ist alles sehr hübsch. Gekauft habe ich keines. Obwohl ich gerne Geld ausgebe für Dinge, die sinnlos-schön sind. Das Panini-Album. Komplett zweckfrei, eine wunderbare Idee der Pfandflaschenverwertungsindustrie. Ich vermisse es kein bißchen.

Die Gomez-Tore waren schön, der ganze Gomez ist fabelhaft. Mit 14 habe ich mal geweint, weil mich in einem Hollandspiel ein Klinsmann-Tor so haltlos glücklich gemacht hat, dass Tränen das einzig Mögliche waren. Ihr kennt das. Ihr seid Enthusiasten. Dieses Gefühl – ich hätte es gerne zurück.

Es sind nicht die vergleichsweise leeren Stadien, die mich bremsen. Sind wir ehrlich, der Fernsehzuschauer bekommt davon kaum etwas mit. Es ist nicht die Vorberichterstattung über Hunde, die erst streunten und dann nicht mehr. Und obwohl es das müsste, ist es auch nicht auf Rassismus in Stadien zurückzuführen, dass sich meine EM-Teilnahme in Teilnahmslosigkeit verkehrt hat.

Eben war noch Bundesliga. Vergangenen Sommer war die Weltmeisterschaft der Frauen, die im kommenden Jahr um die Europameisterschaft spielen werden. Die Pause ist mit Bundesliga gefüllt. Championsleague für die Glücklichen unter euch. DFB-Pokal. Und dieses Dings, um das diejenigen spielen, bei denen es zum Champion nicht gereicht hat. Darauf folgt schon wieder eine Weltmeisterschaft, Brasilien dieses Mal. Die Anlässe, sich eine Fahne auf die Backe zu malen, sind beinahe schon egal. Wie verkraftet ihr das? Mein Körper will das nicht.

Ich glaube, ich bin satt.

10 Kommentare zu “Früher war mehr Begeisterung.

  1. Im Podcast hattet ihr es ja schon angedeutet und Du sprichst mir aus der, nun, Seele wäre zu viel, aber aus der Seele halt. Aber Danke für diesen Artikel, der mich nun endlich in die Arme von flattr getrieben hat. Weiter so und viel Freude.

  2. westernworld

    mir ist es nicht zuviel an und für sich, aber die mediale aufbereitung geht mir gewaltig auf den senkel.

    als wontora letzte woche im doppelpass eine sich wider alle wahrscheinlichkeit entwickelnde, gott bewahre, fachdiskussion über fußball abwürgte um von roger cicero wieder mehr fähnchenschlandrelevantes zu erfahren — sinngemäß mit den worten „nun reicht es aber mit der fachdiskussion, herr cicero erzählen sie doch mal für unsere zuschauer …“

    mir fehlt das es keine vernünftige fernsehsendung über fußball gibt und es nervt mich und verdirbt mir das turnier genauso wie die ganzen holen interviews mit fußballern und fußbällen und allen die fußbälle unter dem arm tragen.

    alle sind wild entschloßen den fußball nach kräften für ihre zwecke zu vereinnahmen.

    das spiel an sich wird mir nicht zuviel, aber wenn das alles weiter in die selbe richtung der debilienfreundlichen disneyfizierung läuft wie bisher dann zitere ich
    auch irgendwann den letzten sächsischen könig.

    ps: ich bin weder ein großer stadiongänger noch rudelkucker,obwohl ich mich freue das andere das machen, na ja bei manchen eher weniger. da ich wohl nicht so begeisterungsfähig bin kann bei mir da wohl auch weniger durch erschöpfung abflauen.

    pps: die regie spielt falsch #faz

  3. @Rayk Mann! Glatt rot werde ich da. Vor Freude. Texte werden tatsächlich urst selten geflattert. Danke!

    @westernworld Vielleicht ist es das, die mediale Aufbereitung. Ich vermisse den Klopp allen Ernstes. Du weisst, wie ich das meine: nicht als Person, aber die sinnvolle Nachbetrachtung eines Spiels. Dazu kommt, dass ich nicht mehr einkaufen gehen kann, ohne „Fußballzubehör“ hintergeworfen zu bekommen – ganz schnurz, ob ich Grillkohle oder Haarwäsche kaufe. Wenn dem Schnitzel ein lustiger Hut beiliegt, ist meine Welt nicht mehr gut. Ein bißchen mehr vom Wesentlichen, und wesentlich weniger Deko, das wär´s, was ich mir wünsche.

  4. westernworld

    @steffi zwei dumme ein gedanke! genau so etwas meine ich, das fehlt hinten und vorne und das können gerne auch mal mehr als 5min. sein. ich hab ja das fachwissen nicht so wirklich mit dem großen löffel gefreßen würde aber sehr gerne mal was dazulernen.

    meine theorie ist ja das sie klopp loswurden als noch nicht klar war das kerner geht damit unser aller johannes baptist nicht gar so völlig ahnungslos neben ihm aussieht.

  5. Es gab einen Moment an dem ich den Fußball spürte: als der Reporter schwieg und die irischen Fans sangen.

  6. Eiserner66er

    Mit Jan seinen Worten ist Alles gsagt….Ich habe dieses gefühl auch nicht mehr wie es mal war bei solch grossen Turmiern.

    Das viel kaputt gemacht wird durch die ganze Industrie die in EM´s& WM`s nur noch Vermarktungsstrategien sehen bis hin zum Einzelhändler(in) ist Ergebniss von Poltik & Vereinahmung an Fussballfans zu kommerziellen Zwecken. Bin ich froh das wir sowas wie bei Bundesligaspielen z.B.Hertha mit Klatschpappen und die Ecke bzw.Freistoss präsentiert so & so…nicht bei Union haben :-)

  7. Amen

  8. Kann ich alles nachvollziehen. Und doch gruast es mir vor Mittwoch, dem ersten Spiel freien Tag seit Turnierbeginn. Was tun?

  9. @westernworld:
    Ich finde die EURO 2012 Show auf Eurosport wirklich gelungen. Im Gegensatz zum oberflächlichen Geplapper bei den öffentlich-rechtlichen Sendern geht es da um Fußball! :-)

  10. Ich muß mich erstmal von der Bundesligasaison erholen, um dann wieder voll anzugreifen. In der Bundesliga.

    Seit der EM 2008 als gefühlt jeder Hans und Hannelore die totalen Fußballfans waren, habe ich mich von der Nationalmannschaft entkoppelt. Mein Höhepunkt war ein Länderspiel in Hamburg, bei dem ich einfach nur da saß und gestaunt habe, was so alles im Publikum gemacht wurde außer Fußball zu gucken. Da war es dann endgültig vorbei.

    Gut zu lesen, daß es nicht nur mir so geht.

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