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Die Schöpfungsgeschichte des Spielplans

Berlin-Köpenick im Februar 2012. Zwei Anhänger des 1.FC Wundervoll waten in dicke Jacken eingemummelt durch den Schneematsch des Waldes an der Alten Försterei zur Partie gegen Dynamo Dresden.  Fragt der eine: „Wetten, dass Mosquera in den nächsten drei Partien gegen Bochum, 1860 und Ingolstadt trifft?“ Seinem Kumpel fällt das sowieso viel zu kalte Bier aus der Hand: „Bist Du blöd, das hier laut zu sagen? Wenn das jemand gehört hat! Dann sind wir dran.“

So oder so ähnlich kann das passieren. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hat letzte Woche bekanntgegeben, dass sie ihr Urheberrecht am Bundesligaspielplan durchsetzen wird und jegliche kommerzielle Verwendung der Erlaubnis der DFL bedarf. Begründet wird das mit der „erheblichen schöpferischen Leistung“ bei der Spielplangestaltung. Damit reiht sich die DFL ein in eine lange Liste von Fällen, in denen das Urheberrecht als Vehikel der Durchsetzung anderer Ziele dient. Denn die DFL stört sich offensichtlich daran, dass der reformierte Glücksspielstaatsvertrag im Bereich Sportwetten nicht so ausfällt, wie sie es sich erwünscht. Mit der nun bekanntgegebenen Lizenzierung für die Nutzung der Spielpläne will die DFL selbst aussuchen, wer Wetten für Bundesligaspiele anbieten darf. Gegen Gebühr selbstverständlich.

Der gesunde Menschenverstand reagiert darauf mit: „Geht’s noch?“ Doch in Wirklichkeit schafft die Liga so massive Rechtsunsicherheit. Jeder, der kicktipp.de oder andere Tippangebote im Netz anbietet, läuft nun Gefahr von der DFL abgemahnt zu werden. Übertrieben gesagt könnte jede Bürotippgemeinscht ab Januar als kriminelle Vereinigung durchgehen. Auch wir vom Textilvergehen nutzen den Spielplan für einen Fan-Kalender. Telefonisch wollte uns die DFL keine Erklärung abgeben: „Das steht doch alles in der Pressemitteilung.“ Wir sind also gespannt, ob wir eine Erlaubnis zur Benutzung des handgeschöpften Spielplans erhalten.

Update vom 14.07.2011: Ein weiteres Telefonat mit der DFL brachte nicht viel Neues, aber dafür Bestätigung einiger Vermutungen. Mehr im Kommentar.

8 Kommentare zu “Die Schöpfungsgeschichte des Spielplans

  1. sehr witzig die Behauptung, dass alles in der Pressemitteilung drin steht. Steht da drinn, ich darf kein Spielplan in der Kneipe aufhängen, da die Kneipe kommerziell genutz wird, oder steht das nicht drin? Da reiben sich unsere Winkeladvokaten die Hände.

  2. „Der Spielplan darf nur zu Informations- und Berichterstattungszwecken genutzt werden. Jede darüber hinausgehende,
    kommerzielle Nutzung ist ab Januar 2012 nur mit ausdrücklicher Zustimmung der DFL gestattet.“

    So stehts im Kleingedrucktem unter der Spielplan-PDF-Datei.
    Heisst für mich, das ich weiterhin die Ansetzungen in meiner Kneipe aufhängen darf – zu Informationszwecken.
    Nur unsre Tipp-Runde müssten wir offiziell genehmigen lassen. So ein Schwachsinn.

  3. Musiclover

    Mal eine Frage an die Wissenden: Kann man bei der Erstellung des Spielplans wirklich von einer “erheblichen schöpferischen Leistung” sprechen? Kann ich mir eigentlich fast nicht vorstellen. Gibt es da ähnlich gelagerte Fälle in der Rechtsprechung?

  4. @musiclover Das wäre mal eine Frage, der Steffi nachgehen könnte. Ich dilettiere mal. Es gibt die Möglichkeit, dass Datenbanken geschützt sind. Doch die DFL verweist ausdrücklich nicht darauf.
    Die DFL argumentiert mit der „enormen schöpferischen Leistung“. Dazu müsste es einen Urheber des Werkes geben. Den hat die DFL allerdings nicht genannt. Meiner Auffassung nach kann aber die DFL kein Urheber sein, da sie als Organisation nicht zu persönlicher, geistiger Schöpfung in der Lage ist. Es wäre also schon gar kein Schutzgegenstand vorhanden. Aber, ob die Argumentation auch vor Gericht durchkommt? Keine Ahnung.

  5. Habt Ihr eigentlich eine Antwort bekommen?

  6. @robert Nein. Und das, obwohl ich wirklich nachhake. Ich glaube, dass der gesamte Vorgang intern vielleicht nicht als beste Kommunikationsleistung der DFL gilt. Am Telefon wurde mir gar keine Auskunft gegeben. Ich solle mich doch an die Agenturmeldungen dazu halten. Ich habe aber darauf bestanden, selbst zu recherchieren und nicht wiederzukäuen, was andere geschrieben haben. Seitdem Funkstille.

    Aber das Handelsblatt hat einen ganz interessanten Text dazu publiziert.

  7. Ein Telefonat mit der DFL führte zu dem Ergebnis, dass es gar nicht darum geht die Nutzung des Spielplanes zu kommerzialisieren, sondern wie eben auch das Handelsblatt ausgeführt hat, sich direkt in einen politischen Entscheidungsprozess einzumischen.
    Deshalb gibt es die Ansage, dass sich bis Januar 2012 nichts ändert. Es wird abgewartet, wie der Glücksspielstaatsvertrag ausfällt. Der Aussage, dass private Tippgemeinschaften ein Kollateralschaden der ganzen Aktion sein könnten, wurde nicht widersprochen. Aber die Nutzung für redaktionelle und Informationszwecke würde in jedem Fall frei bleiben.
    Lange Rede, kurzer Sinn: Ob das mehr als eine Drohkulisse bleibt, entscheidet sich spätestens im Dezember. Bisher gibt es von der DFL jedenfalls keine Vorbereitungen einer Lizenzierung der Spielpläne oder irgendeine Art von Workflow für die Erlaubnis der Nutzung.

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