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Wie ich mal mit Fußball Geld verdiente

Ich komme aus einer Zeit und Gegend, als und wo es noch Regionalzeitungen gab, die fürs Saisonvorschausonderheft Kreisligamannschaften detaillierter portraitierten als der Kicker die dritte Bundesliga. Ich glaube, das Lokalblatt lebte von seinem Riesensportteil, so wichtig wie es all den Dorfkickern war, dass auch die Freizeitsportgruppe von der TSG Bierbauch noch regelmäßige Spielberichterstattung bekam. Wenn all die Fußballer und ihre Familien und Freunde Abonnenten waren, müsste es ein leichtes gewesen sein, das Blatt profitabel zu betreiben. Andererseits war die Redaktion damit auch abhängig vom Wohlwollen der Leser. Die TSG bekam entsprechend ihre Artikel, der Mittelkreis schließt sich hier also.

Andererseits: Was wolltest Du auf dem Dorf auch anderes machen auf dem Feld der Körperertüchtigung? THW und Freiwillige Feuerwehr zählen nicht in diese Kategorie. Im Tischtennis waren die Nazis organisiert, im Tennisverein die Reichen, Basketball habe nur die Gymnasiasten gespielt und allzuviele Gymnasien gab es auf Distanz einer Tagesreise nicht. OK, die evangelischen Mädchen spielten Volleyball. Aber sonst: 22 Mann, ein Ball und der dicke Wirt der Dorfkneipe ist der Referee. Das war für alle da und es musste reichen. Wir hatten ja nix.
Glaubt mir nicht alles, ich romantisiere ein wenig. Ich komme nämlich auch aus einer Zeit und Gegend, als und wo es genug Geld gab, um in der Kreisliga A Spielern monatlich 300 Mark (West) zu zahlen, damit sie nicht im Nachbardorf kickten.
Ich war Gymnasiast und zu doof in die Beine für Fußball. Etwas später, unser elitärer Versuch im Dorfsportclub eine Basketballabteilung zu gründen, war gescheitert, war ich dann Student und in Geldnöten. So beginnen große journalistische Karrieren. Meine in der Sportredaktion. Die eigentlich nur über Fußball berichtete. Das war heikel, wussten doch einige in unserer kleinen Provinzwelt, dass ich davon aktiv überhaupt keinen Schimmer hatte. Und blasierte Studenten ohne Praxiserfahrungen an den Seitenlinien hatten einen schwereren Stand als zum Beispiel der Alkoholikerkollege, der immerhin mal aktiver Handballer war.
Aber egal. Mein ehemaliger Klassenkamerad, der in der zehnten Klasse vorzeitig abging, sich dann aber doch nicht zwischen Kaufmannslehre und Profisportlertum entscheiden konnte, wurde so auch im Rahmen dieser unseren neuerlichen Beziehung Spieler – Reporter nicht mehr mein bester Freund. Erst recht nicht, als er damals in der Landesliga auf der Bank sitzend ausgemustert wurde (von einem jetzigen Bundesligatrainer, die fangen ja auch mal unten an) und ich weiter meine Kohle mit dem runden Leder verdiente.

Und verdienen traf es. Im Schneeregen 90 Minuten plus Halbzeit plus Interviews am Gefrierpunkt den Notizblock zu füllen über Mannschaften, deren Taktik „zufällige Bogenlampen“ war. Sonntagabends für den Ligenrundblick Ergebnisse und Spielhighlights telefonisch aus volltrunkenen Mannschaftskapitänen oder ebenso volltrunkenen Kaffvereinultras weit jenseits des Renteneintrittalters herausfragen. Pressekonferenzen mit zwei Kollegen und einem unmotivierten Trainer im Medienraum eines Bezirksligavereins zu einem 0:0, nur weil das örtliche Bauunternehmen für die glorreiche Zukunft schonmal ein echtes Stadion gebaut hatte und der Pressesprecher des Vereins größenwahnsinnige war, weshalb das alles nicht wie im Nachbarort vor den Kabinen stattfand, während die Jungs am alten Steintrog die Stollenschuhe unter einem rostigen Wasserhahn vom Grün befreiten.

Apropos grün. Mein schönster Job als Fußballreporter war ein Dientsjubiläumsportrait für einen Platzwart. Der Herr pflegte die Spielstätte eines Vereins, dessen Dorf mit seinen 500 Einwohnern zu klein selbst für die unterste Spielklasse war, weshalb sie einerseits nur mit Mühe und Legionären einen Kader für die erste Mannschaft zusammenbekamen und andererseits der Platz am Waldrand schon die ein oder andere Dekade nur in Stand gehalten wurde. Wo andernorts die örtlichen Gewerbesteuereinnahmen in regelmäßigem Turnus für neue Plätze (Kunstrasen!) oder zumindest eine moderne Drainage und neue Grasmatten sorgten, mühte sich hier der alte Platzwart ab.
Immerhin hatten sie ihm einen motorisierten Mäher zum Draufsitzen spendiert. Und ihm blieb bei all der Sisyphusarbeit gegen Wind, Wetter und Spielbetrieb noch ein Sinn für Kunst. Abends schaute er gern im Sportkanal die ausländischen Ligen und da begeisterte er sich für die Rasenpflege der Kollegen in Italien, Spanien, England. Die Rauten und Kreise auf den internationalen Spielfeldern hatten es ihm angetan. Besonders schöne Platzmuster mähte er dann anderntags auf seinem Acker nach.

2 Kommentare zu “Wie ich mal mit Fußball Geld verdiente

  1. Immerhin bist Du da wieder rausgekommen… Zahlreiche Menschen müssen immer noch über Fußball schreiben oder gar im Fernsehen darüber reden, obwohl sie das eigentlich nie wollten.

  2. Ach, ich wollte schon schreiben. Ich mag diesen Feld-, Wald- und Wiesenfußball.

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