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Wo freundliche Menschen sich gegenseitig gut verstehn.

In Küchen nämlich. In Küchen kann man sich fast alles erzählen, Küchen befördern die Gesprächskultur. Alles andere als Zufall also, dass wir uns mit Birger Schmidt, dem Leiter des 11mm-Festivals, ebendort unterhielten. In seiner Küche nämlich. Über Fußball. Über Fußballfilme. Über Fußballfilmfestivals. Über Fußballfilmfestivalförderung. Und auch über das Belächeltwerden.

Birger beschäftigt sich neben dem Fußballfilmfest mit vielen, vielen Dingen – alle haben Ballbezug und brauchen Enthusiasmus. Er unterrichtet an der Alice Salomon Hochschule in Berlin zum Thema Sportsozialarbeit, engagiert sich im Berliner Fanprojekt und hat den „Brot und Spiele e.V.“ mitgegründet. Fußball und Bildung. Fußball und Kultur. Weite Themenfelder, auf denen ein kleines, grasgrünes Fußballfilmfestival prächtig wächst und gedeiht.

Die Vielfalt der Fußballfilme hat Birger in England entdeckt, und wer jetzt „Mutterland“ murmelt, hat der Phrase zum Trotz Recht. Es entstand daraus die Idee, solche Filme im Rahmen eines Filmfestes auch in Deutschland zu zeigen – dem British Council sei Dank wurde das möglich. Inzwischen ist das 11mm-Festival eine feste Größe, deren Arbeit auch von der Kulturstiftung des Deutschen Fußball-Bundes unterstützt wird.

Ihr seid mit dem Festival inzwischen im siebenten Jahr. Hattet ihr die Fortsetzung geplant, oder war es ursprünglich als einmalige Veranstaltung gedacht?

Wir haben gehofft, dass es weitergeht, aber wir sind nicht davon ausgegangen, dass es jährlich weitergeht. Wir dachten zunächst an „die großen Jahre“, Weltmeisterschaft oder Europameisterschaft. Wir sind aber bei den Recherchen auf so viele Filme gestoßen, und im gleichen Jahr kam das Fußballfilmlexikon mit über 700 Einträgen heraus – bis wir die alle gespielt haben … können wir noch ein paar Jahre machen. Da sind so irre und kuriose Sachen dabei – von Cartoons über Pornos bis zum Kinderfilm – wirklich jedes Genre wird abgedeckt. Es gibt sogar Western, bei denen Fußball eine Rolle spielt. Dadurch, dass wir so ein sympathisches Feedback auf die erste Veranstaltung bekommen haben, obwohl es nur englische Filme waren, fanden wir, das sollte weitergehen.

Ihr seht euch im Vorfeld des Festivals Unmengen Fußballfilme an. Einerseits: was kann es Schöneres geben. Andererseits: kommt irgendwann der Moment, in dem man einfach nicht mehr mag?

Den Punkt des Genervtseins erreicht man so etwa sechs Wochen vor dem Festival. Dann kommen noch Einreichungen, mit denen man nicht mehr gerechnet hatte, und man sieht ja eben nicht nur schöne Filme.

Ich fahr auch zu verschiedenen Filmfestivals und lass mich dort gerne belächeln, wenn ich frage, ob die auch Fußballfilme haben. Inzwischen ist es schon so, dass immer ein, zwei Fußballfilme auftauchen. Man sieht dabei aber auch, wie unterschiedlich die Geschmäcker sind. In Norwegen gab es 2006 einen Film, der hieß „Lange flache Bälle“ und hatte in Norwegen über eine Million Zuschauer. Die Leute dort haben sich gebogen vor Lachen – wir haben den zweimal gesehen und uns gefragt: Was ist das denn? FC Venus ist dagegen ein richtig guter Film …

Welche Kriterien muss denn ein Film erfüllen, damit er bei euch auf dem Festival gezeigt wird?

Es reicht nicht, dass ein Ball durchs Bild rollt. Die Faszination Fußball muss im Mittelpunkt stehen, zumindest auf einer Erzählstrecke des Films. Gerade bei Spielfilmen ist es im Vergleich zum Dokumentarfilm schwer zu sagen: das ist ein Fußballfilm. Anhaltspunkte können sein, dass für den Protagonisten Fußball eine besondere Rolle im Leben spielt, oder dass das Umfeld stark fußballlastig ist, etwa bei einem Verein oder Stadtteil, der Fußball lebt.

Aber man kann auch Romeo und Julia als Fußballfilm erzählen. In mehreren Ländern gibt es das inzwischen. In der portugiesischen Version ist das Mädel beispielsweise Anhängerin von Benfica Lissabon, der Junge geht zu Sporting, und die Eltern verbieten den beiden zusammenzukommen.

Wie lange habt ihr gebraucht, bis ihr als ernsthafte Veranstaltung wahrgenommen wurdet, so dass sich eben auch die DFB-Kulturstiftung für euch interessiert hat?

Fünf Jahre hat’s gedauert. Letztes Jahr gelang der Durchbruch, sowohl auf der filmischen als auch auf der finanziellen Seite. Die Kulturstiftung war erstmals vor Ort. Besonders gefreut hat uns die Anerkennung für die Sachen, die uns am meisten wert sind. Beispielsweise dafür, dass wir engen Kontakt zum Publikum halten, die Leute begrüßen, was zu den Filmen sagen und Foyergespräche über die Filme anbieten. In diesem Jahr haben wir den Zuschlag erhalten, weil wir das Festival nicht nur in Berlin veranstalten, sondern damit bundesweit auf Tour gehen.

Sind die 11Freunde, die mit ihrer Arbeit andere Texte und Bilder als man zu sehen gewohnt war, in die deutsche Fußballlandschaft eingebracht haben, auch Wegbereiter eures Festivals, oder war das eher eine Parallelentwicklung?

Bei mir hat Nick Hornby eine große Rolle gespielt. Das war das erste Mal, dass es so eine Geschichte zwischen zwei Buchdeckeln gab. Er ist als erster so offensiv mit seiner Fußballbegeisterung umgegangen, darin hab ich mich wiedergefunden.

Phillip Köster kenn ich seit der Gründungszeit der 11Freunde. Sie haben vor uns angefangen, und ich fand das sehr, sehr wichtig und auch mutig, was sie gemacht haben. Insofern sind sie Wegbereiter.

Aber – und da muss ich nochmal auf die Insel zurück – solche Zeitschriften gab es in England schon in den tiefen Neunzigern, beispielsweise „When Saturday Comes“.

Was macht für Dich Fußballkultur aus, gerade im Zusammenhang mit dem Festival?

Man kann sich über bestimmte Phänomene nähern, oder über Zeitgeschichte. Wo gabs das erste Mal Fußball? In welcher Nation spielte das eine Rolle? Fußball hat aber auch viel Symbolhaftes, es hat mit Farben zu tun, mit Ausdruck und den Ritualen drumherum.

Wenn wir sagen, wir wollen ein fußballkulturelles Filmfest machen, müssen bestimmte Bausteine enthalten sein. Es kann nicht sein, dass wir nur Vereine oder Spieler porträtieren, sondern wir müssen darstellen, welche Rolle der Fußball in den einzelnen Nationen hat. Wir legen außerdem Wert darauf, Retrospektiven zu machen.

Gibt es aus deiner Sicht eine spezielle Berliner Fußballkultur?

Ich habe Berlin nur durch den Fußball kennengelernt. Ich bin 1987 von der Insel Fehmarn zum Studieren nach Berlin gezogen und habe erst beim TSC Friedenau, in den Neunzigern dann beim FC Internationale Fußball gespielt. 1994 habe ich beim Fanprojekt angefangen, und meine ersten Einsätze waren in Ahrensfelde und Marzahn.

Was mich an Berlin begeistert, ist die Vielfalt der Fankultur. Das Union-Phänomen ist für mich auch so ein Beispiel. Als ich nach Berlin kam, hatte ich nicht den Eindruck, dass Berlin eine Fußballstadt ist.

Den Eindruck habe ich aber immer noch.

Die Berliner haben von allem zuviel, es ist ihnen nicht gegeben, treu zu sein – da ist euer Verein eher die Ausnahme.

Die Leute bringen auch eher ihre Fußballvereine nach Berlin mit.

Ja, stimmt. Ich verteile mit meiner Tochter zusammen unser Programmheft in den Kneipen im Prenzlauer Berg, immer am letzten Spieltag vor Festivalbeginn, und es ist genau wie du sagst: wir sind losgegangen in Köln, an Bremen vorbei, dann HSV, Hertha, Schalke – das ist auch Berliner Fußballkultur.

Wir danken sehr für Kaffee & Kekse, vor allem aber für das, wovon Birger momentan am wenigsten hat: Zeit. Wir sehen uns im Kino!

Das 11mm-Festival, bei dem in diesem Jahr Afrika im Mittelpunkt steht, beginnt am Sonnabend, 13.März 2010 um 17:00 mit „Fimpen, der Knirps“ im Kino Babylon in Mitte. Die Karten kosten 6,50 EUR.

Die Unioner werden vor allem an der Doppelvorstellung am Montag viel Freude haben. Ab 19:00 Uhr läuft der Stadionbauerfilm „Eisern vereint“, direkt im Anschluss folgt „Das Rudel“, ein Film über die Union-Ultras.

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2 Kommentare zu “Wo freundliche Menschen sich gegenseitig gut verstehn.

  1. Ein schönes Interview hast du da geführt das scheint mir ein ausgesprochen fitter Fußballmensch zu sein! Das Festival hat mir in den letzten beiden Jahren schon gut gefallen, spätestens Montagabend sollte man hingehen

    Dirk

  2. @dirk ge-interviewt haben wir beide, vorbereitet und fragen ausgedacht auch, nur hab ich´s am ende aufgeschrieben – da teilen wir uns auch dein lob. dankeschön!

    birger ist nicht nur ein sehr angenehmer zeitgenosse, sondern auch einer, der viel kluges über fußball zu erzählen weiß. wir haben aus dem interview einiges gekürzt, weil´s sonst das format „lesetext“ gesprengt hätte – aber uns war keinen moment langweilig.

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