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Die mediale Sicht auf den eisernen Vorhang

Zur Diskussion um die Zusammenarbeit zwischen Medienvertretern und Verantwortlichen des 1. FC Wundervoll hat sich gestern im Fanforum der freie Journalist Matze Koch zu Wort gemeldet. Wir haben den Beitrag um bestimmte Forenbezüge gekürzt, damit er auch alleinstehend verständlich ist. Bisher wird diese Diskussion von Vereinsseite leider nicht offen geführt. Vielleicht ändert sich das in Zukunft. Schön wäre auch, wenn Matze Koch für seine Offenheit keine Probleme in der weiteren Arbeit entstünden. Denn er hat schließlich keine Redaktion hinter sich stehen.

[…] Das Verhältnis zwischen der sportlichen Leitung des Vereins und den Medienvertretern Berlins ist in der Tat seit Monaten angespannt. Beide Seiten wollen ihren Job so gut wie möglich machen. Aber hier prallen inzwischen ziemlich festgefahrene Sichtweisen aufeinander. Der Trainer und der Sportdirektor glauben, die Mannschaft für den Erfolg so weit wie möglich abschirmen zu müssen. Sie entscheiden auch über den Kopf der Akteure hinweg, wenn es um Interviews oder Fotowünsche geht. Der Trainer ist im letzten Jahr immer misstrauischer geworden. Sicher gibt es bisweilen dazu Anlass. Aber nicht hinter jedem Artikel oder Gespräch am Trainingsplatz steckt eine Intrige.

Man fühlt sich als Medienvertreter fast schon wie ein Staatsfeind. Beim Training wird man von bis zu drei Vereinsmitarbeitern der Presseabteilung „bewacht“. Bei Gesprächen mit den Spielern stehen Vertreter der Presseabteilung Unions in der Regel daneben und greifen sogar verbal ein. Das zeugt von wenig Vertrauen zu den Medienvertretern (und den eigenen Akteuren) und ist in der Branche keinesfalls die Regel, nicht mal bei Spielen der deutschen Nationalelf.

Ein Problem ist auch, dass von der Presseabteilung des 1. FC Union niemand die andere Seite kennt. Weder Christian Arbeit noch Matthias Marek waren Journalisten. Sie haben nur wenig Ahnung davon, wie wir ticken oder welche Zwänge ein Redaktionsschluss um 18 Uhr für die überregionalen Ausgaben von Kurier, B.Z. oder Tagesspiegel mit sich bringt. Die von der sportlichen Leitung beschlossene Linie wird damit aus meiner Sicht zu wenig hinterfragt.

Wenn 14 Tage lang kein Pflichtspiel ansteht, kann es für die „bunten“ Zeitungen doch auch mal eine bunte Geschichte geben. Was ist daran schlimm, wenn sich Spieler X mit seiner Familie auf dem Funkturm ablichten lässt und Spieler Y im Beisein eines TV-Teams im Tierpark Giraffen füttert? Im Boulevard muss es menscheln. Der Sportdirektor sagte schon mehrfach, dass man auch mal was genehmigen wird. Bis jetzt gab es leider nichts.

Möglichweise würde die eine oder andere bunte Geschichte dann auch kritische Stories aus den Blättern drängen. Doch man sollte sich von der Annahme trennen, dass die Medienvertreter bloß zu Union kommen, um im Dreck zu wühlen. Gesucht wird immer nach der News und interessanten Dingen, die sicher auch für den Verein unliebsame Geschichten ergeben können.

[…] Fakt ist jedoch, dass es Mosquera inzwischen sechs Tore geschossen hat und fast nie zitiert wird. Das passiert aber nicht, weil die Journalisten zu faul sind, sondern weil John bei Heim- und Auswärtsspielen bis zum Aachen-Spiel bewusst nicht in die Mixedzone gelassen wurde. Aus Union-Sicht sei sein Deutsch zu schlecht, hieß es beispielsweise.

Das führt dazu, dass nach Spielen inzwischen fast kein Journalist mehr nach John fragt. Ich behaupte mal, dass dies bei vergleichbar treffsicheren Goalgettern in den höchsten Ligen Europas ein einmaliger Vorgang ist. Und er führt zu einem Kuriosum: Am Montag sprach Christian Arbeit seine Verwunderung aus, dass in Aachen niemand nach John gefragt hätte. Diesmal hätte Union ihn bei Bedarf in die Mixedzone geschickt…

Gerade im Fall Mosquera fühle ich mich persönlich betroffen, dass man ihn nur unter größten Schwierigkeiten ansprechen kann. Hätte ich am 4.7. 2007 noch einen Trainer, Sportdirektor oder Funktionär um Erlaubnis befragen müssen, bevor ich den ohnmächtigen Mosquera in die stabile Seitenlage geschoben und seinen Kopf überstreckt habe, würde John vielleicht immer noch im Gras von Wesendorf liegen. [Gemeint ist dieser Vorfall d.Red]

[…] Unabhängig davon werde ich auch in Zukunft meine Meinung bei Union sagen. Wenn das mit einem Fettnapf verbunden ist, bitte. Und ich habe auch damals, sicher nicht im besten Ton, die schlechten Arbeitsbedingungen bei Union kritisiert. Und damit meinte ich nicht die Sitze im Stadion oder die Brötchen bei der Pressekonferenz.

[…] Vielleicht ist die Zeit für eine Annäherung von Medien und Verein gekommen. Bei einem Thüringer Fußballverein findet regelmäßig ein Spielchen zwischen Journalisten und Funktionären/Trainern mit anschließendem Bratwurstessen statt. Ein Turnier in der neuen Union-Halle zu Weihnachten tut es vielleicht auch. Tecee kann dann ja notfalls mit dem Mikro eingreifen.

P.S.: So, das lag mir einfach mal auf der Seele. Sachliche Kritik und Hinweise nehme ich gern entgegen.

Matze Koch (Freier Sportjournalist und Fotograf)

12 Kommentare zu “Die mediale Sicht auf den eisernen Vorhang

  1. wer um 3:42 uhr des morgens noch so klar & beleidigungsfrei formuliert, gehört schon alleine dafür gelobt und hat es verdient, dass man sein anliegen ernst nimmt. dass der verein keins von beidem getan hat, ist ebenso bekannt wie ärgerlich.

    nachvollziehbar ist die situation aber für niemanden, weder für freie journalisten noch für uns schlurchblogger. ich ging ja irrsinniger weise davon aus, es sei die aufgabe eines pressesprechers, mit der presse zu sprechen. ich hatte zudem aus gründen, die ich heute selbst nicht mehr verstehe, die hoffnung, dass sich mit christian arbeits berufung dinge ändern würden. das haben sie: was früher lange dauerte, geht heute gar nicht mehr.

    wenn man sich als den fußballverein der hauptstadt begreift, da kann ich matze koch nur beipflichten, muss man mehr bieten als fußball. flankierende medienarbeit gehört dazu. es nutzt nichts, wenn man feinsten fußball spielt und niemand davon erfährt. man muss die leute täglich daran erinnern, dass man da ist, wenn man verhindern möchte, dass die plötzlich alle zu TeBe abwandern. wenn ein verein nun selber kein solches kompetenzzentrum hat (beispiel bayern münchen, die jede info blauweißrot verpackt verkaufen), ist es gar nicht mal sooo schlimm, mit den herkömmlichen methoden und den üblichen verdächtigen zusammenzuarbeiten. auch das ist marketing, und ein sinnvolles, wie ich finde.

  2. ich muss gestehen, dass ich etwas verwirrend finde, dass ihr so vehement (passiert ja nicht das erste mal) für mehr „bunte geschichten“ eintretet, bzw. fordert, dass dem „journalismus“, der für derlei zuständig ist, mehr möglichkeiten eingeräumt werden. ich für meinen teil wüßte keinen einzigen grund, warum die welt artikel über mattuschka beim giraffen füttern braucht. mehr noch, ich bin über jeden tag froh, an dem sich der verein gegen derlei dreck, der für mich in eine kiste mit cheerleader-mädels und halbzeit-elfmeterschiessen-spielchen gehört, stemmt. eine kiste der pandora quasi. lasst uns beten, sie möge so lange wie möglich geschlossen bleiben.

  3. MalerMario

    Hey mars, wie alt bist Du ? Gerne per pn im off. Forum.

  4. @malermario Ich mache jetzt mal die Mutti im Blog. Der Standpunkt vom spielbeobachter ist keine absolute Mindermeinung. Vor allem, wenn man als Kölner mit dem Express geschädigt ist. Ich bin da anderer Meinung. Vor allem im Hinblick auf die meisten Journalisten, die sich mit dem 1. FC Wundervoll auseinandersetzen und den Verein auch in der Viertklassigkeit begleitet haben. Hier wird momentan massiv ein langjähriges Vertrauensverhältnis zu Gunsten eines wie auch immer gearteten übergeordneten Zieles beschädigt.

  5. einige anmerkungen meinerseits in loser reihenfolge:

    vor wochen haben sich die hardware-bedingungen für journalisten an der af verbessert – eine pressecontainer wurde aufgestellt und eingeweiht. dbzgl.verbesserungsvorschläge der medienvertreter wurden wohl vereinsseitig gehört und technische probleme sollten zeitnah behoben werden… warum allerdings die arbeitsbedingungen der journalisten SO stiefmütterlich behandelt wurden und zu einem – für mich zu späten – zeitpunkt behoben wurden, frage ich mich noch heute…

    die nordkoreanische informationspolitik erscheint auch mir nicht zeitgemäss und wird – zumindest jetzt in zeiten des sportlichen erfolges – „gedeckelt“ vom hype um unseren verein. mich beschleicht die sorge, dass sich dieses, mal zu einem missverhältnis/missverständnis entwickeln könnte – spätestens dann, wenn der sportliche erfolg ausbleibt, unser hype abflaut und „nur noch“ 10000 zu spielen gegen fürth kommen, könnte da was kippen und sich die journalie weniger wohlwollend zeigen…

    eine andere gefahr sehe ich in der kompensation des informationsvakuums, in welchem sich gerade die boulevardjournalisten befinden. durch den reaktionellen druck könnten situationen entstehen, in welchen „alte“ stories herausgekramt werden, welche im eigentlichen vereinssinne unter verschluss gehalten wurden. und das genau ist mein eigentlicher vorwurf an die vereinsspitze: nicht nur das – für mich paranoide – zurückhalten von informationen, abweisen von interviewanfragen und behören von trainingsgesprächen ist ausdruck des grundlegenden verständnisproblem der geschäftsstelle
    nein: die anerkennung journalistischer arbeit in verbindung mit dem verstehen des medialen wertschöpfungskreislaufs – welcher auch uns millionen in die kassen spült – und die anerkennung dessen, WAS NICHT geschrieben wird, ist für mich der eigentliche skandal

  6. @ MalerMario – 40. Verrätst Du mir auch, was das eine mit dem anderen zu tun hat?

    @ Sebastian. Dass Füße getreten werden, die sich um Union verdient gemacht haben, ist sicherlich nicht schön. Die Frage ist nur, was die Besitzer der Füße in Zukunft von Union wollen, bzw. mit Union anfangen werden. Der Boulevard ist per definitionem nicht an einer seriösen, differenzierten und ausführlichen (im Sinne von: In die Tiefe gehend) Berichterstattung interessiert. Wozu brauchen wir das?
    Der boulevardeske Druck nach Geschichten von Mattuschka am Giraffenkäfig war in Liga vier kaum vorhanden, jedenfalls im Vergleich zu dem, was zur Zeit an Druck vorhanden ist, und was, sollte Union noch erfolgreicher werden, noch dazu kommt. Bislang wird ja das Hauptübel noch von Hertha aufgesogen. Dass es also einen Unterschied im Umgang des Vereins mit den Journalisten gibt, liegt doch auf der Hand.

  7. na und wie es jetzt grad menschelt im Kurier.
    Mir erschliesst sich nicht der Wert von Informationen über das Privatleben von Biran und Co in welcher Zeitung auch immer, Auch nicht Glinker am Affenkäfig oder was auch immer.
    Bitte um Erklärung für Begriffsstutzige.

    Meine Kritik bezieht sich somit auch nicht auf den Umgang mit Homestorys, sondern auf den Umgang mit Informationen die den Verein betreffen, wie z.B. was das mit ISP sollte oder warum wir den Webseiten-Betreiber wechseln mussten. Diese „Nichtinformation“ führt zu unnötigen Spekulationen.

    Misstrauen gegenüber der Presse kann ich aber auch gut nachvollziehen. Die „Durchmarschparole“ der Bildzeitung die einer breiten Leserschaft den Eindruck vermittelte, dass man bei Union davon träumt ist das beste Beispiel dafür. Egal wie vehement man sich von vereinsseite dagegen äusserte. Andere Publikationen griffen die Story auf, der verein musste sich mit dem Dreck beschäftigen ob sie wollten oder nicht. Dann zwei Niederlagen und die Bild assistierte mit „Durchmarschträume der Eisernen geplatzt.“ HAAAALLO – ist da irgendwo jemand zu Hause. Ich als nur mittelbar betroffener Fan bekomme da schon nen Hals wie ein Rhinoceros…

  8. wir reden auch, aber nicht ausschließlich über boulevard; und bei nem guten sportteil ist mir prinzipiell egal, welche zeitung drumherum ist. sicher ist die unterscheidung, ob man den verteidiger christian stuff oder den familienvater christian stuff interviewt, gerechtfertigt.

    ich verstehe im grundsatz journalisten, die sagen, dass giraffenkäfiggeschichten relevant sind, auch wenn erfahrene bühnenkünstler speziell von giraffen abraten:

    http://www.sebastiankraemer.de/mp3/giraffentango.mp3

    die giraffenkäfige für gehobene ansprüche findet man übrigens in den 11Freunden genauso; da sind die spieler nur bei besserem licht fotografiert.

    ich meine das nicht herabwürdigend in eine der beiden richtungen, ich gebe nur zu bedenken, dass ein jedes medium, das sich mit fußball beschäftigt, geschichten erzählt & erzählen muss, damit diese so genannte „volkssportart“ den bezug zum volk wenigstens dem anschein nach behält. über die qualitativen unterschiede der verschiedenen zeitungen und magazine mag man streiten, aber so anschmiegsame homestories und interviews, die sich mit sportlern jenseits ihrer berufsausübung beschäftigen, bringen sie alle.

    daran finde ich solange nichts verwerfliches, wie man mit dem einverständnis der jeweiligen sportler publiziert.

    das hier behauptete allgemeine desinteresse an privatem glaube ich nicht. nachdem ich dazumals ein interview mit holger bahra gemacht habe, wurde ich befragt, warum wir uns langweiliger weise ausschließlich über sportliches unterhalten hätten.

  9. finde den Ruf nach Boulevard befremdlich.

    zeug, lose:

    1) ‚Journalist‘ stört in ‚Boulevardjournalist‘ (Oxymoron)
    2) Informationsvakuum ist eingebildet; falls nicht: bringt die alten Stories, zeigt Gesicht
    3) Anerkennung von ‚journalistischer Arbeit‘ unangebracht
    4) Journallie zerlegt sich selbst während der Verlegerskrise

  10. @OvD

    Niemand ruft hier nach Boulevard. Aber dessen Existenz wirst Du nicht verneinen können.

    zu Deinen Punkten:

    1) Das ist Deine Meinung aber keine Tatsache. Tatsache wäre, dass es Journalisten gibt, die handwerklich gut und weniger gut arbeiten. Unabhängig, ob für Boulevardblätter oder nicht.

    2) Es geht hier nicht um ein Informationsvakuum, sondern um Informationskontrolle. Zur journalistischen Sorgfalt gehört es, auch die andere Seite zu bestimmten Sachverhalten zu befragen. Was macht man, wenn man alleridngs keine Antwort erhält? Beim Textilvergehen gammelt schon seit 3,5 Monaten ein Text über Daniel Stenz, unseren Videoanalytiker. Der 1. FC Köln und Sportslab benötigten insgesamt zwei Tage, um unsere Fragen zu beantworten. Der 1. FC Wundervoll hat es in der gesamten Zeit trotz mehrfacher Erinnerungen nicht geschafft, auf die Fragen auch nur zu reagieren.

    3) Das ist ein schwieriges Thema und hat sicherlich eher mit zwischenmenschlichen Beziehungen zu tun.

    4) Ein Allgemeinplatz, von dem ich nicht weiß, was er genau bei diesem Thema zu suchen hat.

  11. @mars

    „Der Boulevard ist per definitionem nicht an einer seriösen, differenzierten und ausführlichen (im Sinne von: In die Tiefe gehend) Berichterstattung interessiert.“

    Ach? Ist das so. Hm? Worüber und wie habe ich dann die letzten 10 Jahre berichtet? BUW hats du das überhaupt gelesen, dass du dir eine Meinung zum Boulevard überhaupt leisten kannst? Du redest wie ein Berliner Zeitungs-Aboist, nur in Vorurteilen deines selbtgebildeten Vorurteiles. Matze Koch wählt hier leider schlechte Beispiele. Die Zusammenarbeit des vereisn geht gegen Null. Und wer war denn denn 2005 zur Stelle? Nicht die seriöse Presse, sondern der Boulevard, Wer schrieb gegen „Be“ trug an „Berlin“?

  12. […] ja diese Diskussion um eine schwierigere Zusammenarbeit zwischen Medien und Verein. Und da steht Matze Koch mit seiner Meinung nicht alleine. Auch andere Journalisten haben das angemerkt. Du hast diese […]

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