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Fraktur, mon Amour.

Wer sich über das neue Logo derer aus Höhenschönhausen empört, lese bitte, bevor er sich in Druckbuchstaben dazu äußert, einen einzigen Satz:

Ein Erlass des NS-Regimes aus dem Jahre 1941 erklärte dann jedoch die Antiqua zur „Normalschrift“, die Fraktur galt fortan als „offiziell unerwünscht“, so dass NSDAP-treue Zeitungen und Verlage schnell zum durchgehenden Gebrauch der lateinischen Schrift übergingen.

[wikipedia:fraktur]

Auch wenn es hinsichtlich des streitbefangenen Logos möglicher Weise anders gemeint war – weniger nazi kann eine Schrift eigentlich kaum sein.

Das Buch „Fraktur mon Amour“ gibt es übrigens wirklich, und es ich finde nichts daran auszusetzen. Genausowenig wie Judith Schalansky lasse ich mir die interessantesten und schönsten Schriften, die der Gestalter kennt, wegnehmen, und ich werde die Fraktur jetzt einfach so oft und so lange und immer und überall benutzen, bis sie in etwa den harmlos-guten Ruf von Blümchensex genießt.

So. Wissta Bescheid, jetzt.

5 Kommentare zu “Fraktur, mon Amour.

  1. Das Argument zieht ja aber nur, wenn man davon ausgeht, dass den Nazis Bildung und damit z.b. das Wissen über oben erwähnten Erlass in irgendeiner Weise wichtig wär.

    Ganz unempört,
    icke.

  2. @mars ich weiß, und ich ärgere mich jedes mal. nazi, bleib bei deinen runen, möchte man entgegnen. geht ja irgendwie nicht an, dass die alte schwabacher (wie auch andere gebrochene schriften) erst als judenletter verunglimpft und anschließend von rechts vereinnahmt wird.

    vor allem aber stört mich, dass der qualitätsjournalistiker vom tagesspiegel -und ich schätze den tagesspiegel ansonsten durchaus- diesem unfug nicht entgegen wirkt, sondern einen weit verbreiteten irrtum noch ein bißchen weiter verbreitet. man könnte ja auch einfach mit dem finger auf die leute zeigen und sagen: kuck ma, die sind ja doch eher doof unwissend.

  3. Mit weitverbreitetem Unfug ist das so’ne Sache. Dagegen lässt es sich gut wettern, darauf kann man gut zeigen und sich selbst damit ein Stück weit abheben, sich als durchblickend darstellen. Dabei lässt es sich aber auch übers Ziel hinausschießen.

    Ich beispielsweise mag die Musik der Gruppe Wolfsheim. Ein weitverbreiteter Unfug ist es, diese Gruppe in die politisch rechte Ecke zu stellen, eher das Gegenteil ist der Fall. Nun beziehen sich die „Ankläger“ aber auf eine Textzeile in dem Lied „The Sparrows and the Nightingales“, in dem es in dem ansonsten auf englisch gesungenem Lied plötzlich in deutscher Sprache heißt: „Wo ist der Führer der mich führt, ich warte immer noch“. Der sonstige Text weist auf keinen Grund hin, den es geben könnte, ausgerechnet diese Worte in Deutsch zu singen. Herr Heppner wurde dazu in Interviews befragt und hat keine so schlüssige Antwort gegeben, dass ich mich damit beim mitsingen dieses Liedes an dieser Stelle besonders gut fühlen könnte. Bleibt also die Frage nach dem warum, und ich muss zugeben, die Nachfrager haben vollkommen recht.

    So sehe ich das im Fall des BFC auch. Fraktur-Schriftarten wurde im früheren Deutschland benutzt und werden gemeinhin von jedem, noch den dümmste Trotteln, mit der vor-bundesrepublikanischen Zeit in Verbindung gebracht. Fußball mit ss ist nach unserer Rechtschreibung falsch. Dazu noch rund und in Schwarz-Rot-Weiß gehalten, ausgerechnet bei einem Verein, deren gewaltbereiten Fans eine Nähe zur politischen Rechten nachgesagt wird. Da muss man nachfragen dürfen.
    Und wenn der Präsident dann noch sagt, dass man bewusst provozieren möchte, ist die Vermutung, dass da ein Club auf Beifall aus der falschen Ecke scharf ist, noch die Vorsichtigste. Dieses Wappen wird am Ärmel der schwarzen Bomberjacken der Glatzen prangen und man könnte glauben, dafür wäre es entworfen worden.

  4. Richtig. Kern des Problem ist nicht die Verwendung einer umstrittenen Schriftfamilie, sondern wer die wie verwenden will und deren in diesem Fall wohl mindestens zweideutiges Motiv.

  5. @Herr Wieland und @probek wir sind uns viel einiger als das im ersten moment aussieht.

    die grafiker, die das gebaut haben, wussten ganz sicher, was sie taten. (hoffe ich zumindest, das lernt man nämlich auf der grafikdesignerschule schon in der ersten klasse. auch korrekten fraktursatz. nie zwei runde s hintereinander. von rechtschreibung sag ich schon gar nix mehr, und auch nicht über farben.) nach ausdrücklichem bekunden des auftraggebers war das nicht mal zweideutig, sondern überhaupt nur als provokation gemeint. aber eben handwerklich fehlerhaft und zugleich die fehlvorstellungen anderer ausnutzend. darauf darf man hinweisen, finde ich.

    meine kritik richtet sich gar nicht gegen den rezipienten, der das (nachvollziehbarer weise) genauso versteht, wie ihr beide sagt. ich weiß, dass ganz viele leute gebrochene schriften reflexartig mit irgendwas politisch weit rechts von der mitte assoziieren. aber wenn die, die es von berufs wegen besser wissen (müssen), stille sind, wird sich daran auch nichts ändern.

    deshalb mag ich zB dieses stijlroyal-magazin so gerne:
    http://issuu.com/stijlroyal/docs/stijlroyal-fruehling2009-uncool-edit-issuu

    – eine unfassbar liebenswerte art, eine schrift, die nüscht dafür kann, bösen menschen wegzunehmen. das war, worum es mir eigentlich ging.

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